Menschenrechtsbericht (Non Food) 2021

Wir machen uns stark für die Einhaltung von Menschenrechten. Denn diese sind für uns nicht verhandelbar. Hier geben wir Auskunft über unsere genauen Ziele, Aktivitäten und Herausforderungen.

Verantwortung für die Menschen - Managementansatz

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Unsere Welt wandelt sich im Zeitraffer. Das ist eine Herausforderung, die wir als global vernetztes Handelsunternehmen möglichst gut meistern wollen und müssen. Mit einem großen Filialnetz in Europa, Mitarbeiter*innen im Innen- und Außendienst und einem Geflecht internationaler Lieferketten sind wir vielen Hunderttausend Menschen verpflichtet.

Seit der Gründung des Familienunternehmens im Jahr 1949 steht bei Tchibo der Mensch im Mittelpunkt. Schon unser Gründer Max Herz war überzeugt: Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter*innen sind elementar für ein erfolgreiches Familienunternehmen. Das gilt auch heute noch und umfasst selbstverständlich auch die Menschen in unseren Lieferketten. Fairness im Umgang miteinander ist ein Fundament unserer Unternehmenskultur.

Verantwortung für die Menschen in unseren Lieferketten

Als traditionelles Handelsunternehmen ist Tchibo auf die Partnerschaft mit Lieferant*innen für Textilien und Non Food-Artikel in Asien und Europa angewiesen, die unsere Produkte herstellen. Ein gutes Produkt erfüllt für uns verschiedene Kriterien: ausgezeichnete Qualität, ein ansprechendes Design und faire Preise für unsere Kund*innen, gepaart mit ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung. Dazu zählen die Verbesserung von menschenrechtlichen Standards in der Herstellung und die Partnerschaftlichkeit mit unseren Lieferant*innen.

So sehr die Globalisierung große Chancen für Menschen in den Herstellerländern und für unsere Kund*innen bietet, so sehr birgt sie aber auch spezifische Risiken. Dazu gehört die Missachtung von Arbeits- und Sozialrechten, die in vielen Herstellerländern und Produktionsstätten eher die Regel als die Ausnahme ist. Wir haben den Anspruch, die Chancen und Risiken zum Wohle der beteiligten Menschen auszubalancieren und sie in die Veränderungsprozesse einzubeziehen. Wir nehmen unsere Verantwortung ernst und sind der Überzeugung, dass unternehmerischer Erfolg nicht zulasten der Menschen in unseren Lieferketten gehen darf. Er muss einen Beitrag zur menschenwürdigen gesellschaftlichen Entwicklung leisten. Diese Ambition nehmen wir sehr ernst und verfolgen sie seit vielen Jahren intensiv mit einer Vielfalt an Maßnahmen.

Menschenrechtliche Sorgfalt ist ein integraler Bestandteil unserer Geschäftspraktiken. Die Grundlage für unsere Arbeit sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und damit die Anforderungen des bis 2020 aktiven Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) sowie des zukünftigen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG). Wir folgen der Leitlinie, Menschenrechte zu achten, etwaigen Verletzungen systematisch vorzubeugen und Verstöße durch gezielte Maßnahmen und stetige Verbesserungen zu beheben. Dieses Selbstverständnis begründet, dass wir uns im Zuge des Shutdowns vieler Lieferländer aufgrund von COVID-19 dazu entschlossen haben, keine Aufträge zu stornieren, längere Lieferzeiten zuzulassen und Ware, die bereits produziert wurde, auch abzunehmen und zu bezahlen – ein Vorgehen, dass unserem Empfinden nach auch eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Die Prinzipien menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht

Der NAP setzt die Vorgaben der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN Guiding Principles on Business and Human Rights) in Deutschland um. Die darin verankerte menschenrechtliche Sorgfaltspflicht basiert auf fünf Pfeilern:

  1. Grundsatzerklärung und Richtlinien
  2. Abschätzung besonderer Risiken und Auswirkungen auf Menschenrechte
  3. Maßnahmen treffen und überprüfen
  4. Beschwerdemechanismen einrichten
  5. Transparent berichten

Diese Prinzipien sind ebenso in den OECD Leitsätzen für multinationale Unternehmen festgelegt und werden von Mitgliedern des Textilbündnisses erwartet. Weil diese für alle Unternehmen gelten sollten, setzen wir uns seit 2019 für ein deutsches und europäisches Sorgfaltspflichtengesetz ein. Weitere Infos dazu hier: Gesetzliche Regulierungen

Grundsatzerklärung und Richtlinien

Unser unternehmerisches Handeln stützt sich auf weltweit anerkannte Standards und Richtlinien. Deren wesentliche Prinzipien sind im Tchibo Code of Conduct (CoC) verbindlich festgelegt und gelten als Richtschnur für das Handeln aller Mitarbeiter*innen bei Tchibo. Für die Produzent*innen unserer Non Food-Artikel sowie unsere Dienstleister*innen und Kooperationspartner*innen gelten die im Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) definierten Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen und Umweltstandards. In unserer Grundsatzerklärung gemäß NAP und UN-Leitprinzipien sind alle Grundlagen unseres Handelns zusammengefasst.

  • Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte

  • Tchibo Code of Conduct

  • Tchibo Social and Environmental Code of Conduct

  • Globale Rahmenvereinbarung mit IndustriALL

  • Greenpeace Detox Commitment

  • Closed Loop Commitment

  • Menschenrechts- und Umweltpolitik in landwirtschaftlichen Lieferketten (Agrarpolicy)

Entsprechende Dokumente sind im Bereich Downloads unter Tchibo Policies & Commitments und Supplier Policies & Guidelines zu finden.

Abschätzung besonderer menschenrechtlicher Risiken

Unsere unternehmerische Sorgfaltspflicht beginnt damit, mögliche nachteilige Auswirkungen unseres Handelns auf Menschenrechte zu erkennen, zu verstehen und zu vermeiden. In einem umfassenden Prozess haben wir 2012 die Menschen- und Arbeitsrechte identifiziert, die in globalen Lieferketten für Non Food-Artikel besonders unter Druck stehen. Die Analyse führen wir seitdem kontinuierlich weiter.

Wir betrachten dabei die für Tchibo relevanten Industriesektoren, Stufen in den Lieferketten, nationale Kontexte und lokale Besonderheiten. Wir wägen ab, wie wahrscheinlich eine Menschenrechtsverletzung ist, wie schwer die Auswirkungen auf Betroffene wären und wie gut sie durch den Einfluss von Tchibo vermieden werden kann. Auch die menschenrechtliche Situation in den Herstellerländern bewerten wir regelmäßig anhand von Veröffentlichungen von Menschenrechtsorganisationen und Forschungsinstituten. Die Ergebnisse dieser Analysen fließen in unsere Einkaufsstrategie ein und bilden die Basis für unsere operative Menschenrechtsarbeit.

Besondere Menschenrechtsrisiken in unseren Lieferketten für Non Food-Artikel

Handlungsfeld

Verortung in der Lieferkette

Gesundheits- und Arbeitsschutz

Fertigung, Vorstufen, Rohstoffe

Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen

Fertigung, Vorstufen

Existenzsichernde Löhne

Fertigung, Vorstufen, Logistik/Transport

Diskriminierung, Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz

Fertigung, Vorstufen

Zwangsarbeit bzw. Moderne Sklaverei

Vorstufen, Rohstoffe, Logistik/Transport

Kinderarbeit

Vorstufen, Rohstoffe

Arbeitszeit

Fertigung, Logistik/Transport

Maßnahmen umsetzen und überprüfen

Auf die besonderen Risiken in unseren Lieferketten antworten wir mit gestaffelten Maßnahmen. Schritt für Schritt gestalten wir sämtliche Produkte und Prozesse umwelt- und sozialverträglich. Wir priorisieren dabei die Bereiche, in denen die Auswirkungen auf die Menschen am größten sind und wo wir gleichzeitig am meisten Einfluss nehmen können:

  • Aufbau langfristiger Partnerschaften mit Lieferant*innen, Produzent*innen und Zivilgesellschaft
  • Kontinuierliche Weiterentwicklung von verantwortungsvollen Geschäftspraktiken
  • Programme zur Verbesserung von Arbeits- (und Umwelt)bedingungen auf Herstellungs- und Rohstoffebene
  • Entwicklung von innovativen Ansätzen und branchenweiten Allianzen, um systemische Herausforderungen gemeinsam zu lösen
Langfristige Partnerschaften mit Lieferant*innen und Produzent*innen

Ein grundlegender Bestandteil dieser Strategie ist, dass wir auf langfristige Partnerschaften mit Lieferant*innen und Produzent*innen setzen und ihnen möglichst hohe Planungssicherheit geben. Das bietet die Möglichkeit, die Bedingungen in der Lieferkette nachhaltig zu verbessern. Die Fabriken wählen wir nach strengen Richtlinien aus, um zu gewährleisten, dass sie unseren Anforderungen an Qualität und Verantwortung gerecht werden. Die Einhaltung unserer menschenrechtlichen und umweltbezogenen Richtlinien überprüfen wir durch unser umfassendes Monitoring- und Auditierungsprogramm.

Beschäftigte stärken

Schon seit einigen Jahren wird immer klarer, dass Audits nicht in der Lage sind, die Realität in den Fabriken vollständig aufzudecken, selbst wenn sie mit größter Sorgfalt und Tiefe ausgeführt werden. Das Instrument kommt hier an seine Grenzen. Audits sind nur eine Momentaufnahme der Situation vor Ort und geben kaum Anreiz, dauerhafte Veränderungen anzustoßen. Für die tatsächliche Bearbeitung menschen- und arbeitsrechtlicher Probleme nutzen wir unser WE Programm. Über WE unterstützen wir jene Hersteller, mit denen wir enger zusammenarbeiten. WE ist das Herz unseres Menschenrechtsprogramms, auf das wir stolz sind.

Sozialen Dialog etablieren

Arbeitsrechte können nur dauerhaft etabliert werden, wenn Beschäftigte selbst die Möglichkeit haben und in der Lage sind, ihre Interessen zu vertreten. Arbeitnehmer*innenvertretungen und Gewerkschaften sind die Instrumente, die sie nachhaltig dazu befähigen, die Einhaltung ihrer Rechte am Arbeitsplatz einzufordern und zu überwachen. Deswegen arbeiten wir mit der internationalen Dachgewerkschaft IndustriALL Global Union zusammen. 2016 haben wir zusammen eine Globale Rahmenvereinbarung abgeschlossen, die sich auf unsere Lieferketten für Non Food-Artikel bezieht.

Branchenweiten Wandel anstoßen

In unseren Branchen haben wir oft mit Herausforderungen zu kämpfen, die systemisch sind. Sie sind tief in der globalen Arbeitsteilung verankert, zum Beispiel niedrige Löhne. An diesen Stellen kommen wir allein nicht weiter. Wir brauchen Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, mit denen wir gemeinsam an diesen Herausforderungen arbeiten. Zusammen verändern wir uns und die Welt zum Besseren.

Effektive Beschwerdemechanismen

Beschwerdemechanismen sind ein zentraler Pfeiler, um Menschenrechte und Umweltschutz in Lieferketten dauerhaft zu verankern. Sie helfen Tchibo dabei, Missachtung von Arbeits- und Umweltstandards zu identifizieren und im nächsten Schritt gemeinsam mit Betroffenen und Verursacher*innen Abhilfe zu schaffen. Dabei müssen sie Hand in Hand mit unseren anderen Maßnahmen gehen.

Der Militärputsch in Myanmar

Im Nachgang der Parlamentswahlen in Myanmar verkündete das Militär am 1. Februar 2021 einen Ausnahmezustand für das gesamte Land und löste das Parlament auf, das an diesem Tag zur ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode zusammentreten sollte. Infolgedessen wurde Myanmar, und dort vor allem die urbanen Zentren, von massiven Protesten und gewaltsamen Gegenmaßnahmen erschüttert, einhergehend mit Tausenden Festnahmen und Hunderten Todesopfern sowie erheblichen Einschränkungen der bürgerlichen Grundrechte. Diese Entwicklungen haben umfangreiche Auswirkungen auf unsere wirtschaftlichen und menschenrechtsbezogenen Aktivitäten nach sich gezogen und uns schlussendlich dazu bewogen, unsere Produktionsbeziehungen in dem Land bis Mitte 2022 auslaufen zu lassen.

Sorgfaltsmaßnahmen

Erst 2015 wurden in Myanmar nach vielen Jahrzehnten die ersten freien Wahlen durchgeführt. Die schnelle wirtschaftliche Erholung und vielversprechenden Sozial- und Arbeitsrechtsreformen nahmen wir im gleichen Jahr zum Anlass, erste Produktionspartnerschaften nach einer gründlichen Prüfung und unter erheblichen menschenrechtsbezogenen Auflagen aufzunehmen. Neben spezifischen Vorgaben (siehe Policies, Myanmar) entwickelten wir ein begleitendes Programm für sozialen Dialog mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), mit der wir zuvor das WE Programm aufbauten, sowie der nationalen Gewerkschaft Industrial Workers Federation Myanmar (IWFM). An diesem Programm mussten seitdem alle unsere Produzent*innen teilnehmen. Die Herstellung von Tchibo Produkten war nur in diesem engen Rahmen möglich.

Mit dem Militärputsch stieg das Risiko für Arbeiter*innen enorm, in ihren Grundrechten inklusive dem Recht auf Vereinigungsfreiheit beschnitten zu werden, keine oder reduzierte Löhne zu erhalten oder unmittelbar entlassen zu werden. Dieser Kontext verlangt von Unternehmen besondere Maßnahmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten im Sinne der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und dem OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln. In diesem Sinne forderten wir unsere Lieferant*innen und Produzent*innen unmittelbar auf, diese Risiken abzuwenden und informierten sie darüber, wie dies idealerweise umgesetzt werden sollte (siehe Mitteilung im Tchibo Blog vom 26.02.2021).

Die ersten wirtschaftlichen Schockwellen im Februar und März 2021 konnten wir gemeinsam mit unseren Lieferant*innen abfedern. Die Produktion wurde auf ihre Initiative hin zunächst nach China verlagert, da Transportwege für Material und Fertigware zusammengebrochen waren, Arbeiter*innen sich an den Protesten beteiligten (oder aus Angst zu Hause blieben) und Fabriken teilweise vor massive Sicherheitsprobleme gestellt waren. Ab Mai 2021 holten wir die Produktion mit der gebotenen Vorsicht wieder nach Myanmar zurück. Als Frühwarnsystem haben wir bei unseren Produzent*innen regelmäßig die Beschäftigungssituation abgefragt.

In der Initiative ACT on Living Wages haben wir ab März mit höchster Intensität folgende Sorgfaltsmaßnahmen für Produzent*innen und Beschäftigte zusammen mit der Gewerkschaft IWFM erarbeitet und sie in unseren Prozessen umgesetzt (siehe Mitteilung im Tchibo Blog vom 12.07.2021 und ACT Webseite):

  • Rahmenwerk für Unternehmen zum verantwortungsvollen Auftragsstopp

  • Anleitung zum fairen Umgang mit Produzent*innen bei Lieferschwierigkeiten

  • Rahmenwerk für Arbeitnehmer*innenschutz und Entlassungen

  • Schnellverfahren zur Konfliktlösung bei Arbeitsrechtsverletzungen (abgeleitet aus dem Beschwerde- und Streitbeilegungsmechanismus der Myanmar Freedom of Association Guideline)

Im Berichtszeitraum erreichten uns vier Beschwerden über mutmaßliche Verstöße gegen unsere Vorgaben bei unseren Produzenten in Myanmar, davon eine über das ACT Schnellverfahren. Alle Beschwerdefälle wurden einvernehmlich gelöst.

Zwei unserer Produzent*innen schlossen ihre Betriebe bereits im März bzw. April. Alle insgesamt ca. 3.200 Beschäftigten erhielten ihre rechtmäßigen Entschädigungen, bei einem Produzenten unter Mitwirkung des Gewerkschaftsverbandes Confederations of Trade Unions of Myanmar (CTUM).

Projekt für sozialen Dialog

Unser Projekt für sozialen Dialog hatten wir in seiner bisherigen Form im Dezember 2020 vorzeitig beendet und planten, 2021 mit einem neuen Ansatz mit unseren Projektpartnern GIZ und IWFM zu arbeiten. Der Militärputsch und die damit einhergehende massive Unterdrückung von Gewerkschaftsarbeit machte es uns jedoch zusammen mit den Einschränkungen durch die COVID-19 Pandemie auf unbestimmte Zeit unmöglich, die Arbeit fortzusetzen. Im Einvernehmen mit den Partnern beendeten wir die weitere Planung zunächst; das vorgesehene Projektbudget investierten wir stattdessen vollständig in humanitäre Hilfsprojekte vor Ort. Die im Projekt angelegten Handreichungen werden verspätet im Jahr 2022 veröffentlicht.

ACT on Living Wages

Myanmar war seit 2018 ein Schwerpunktland von ACT. Im Dezember 2021 entschieden die Mitglieder, die Arbeit von ACT in Myanmar einzustellen. Dies ist eine Folge des Rückzugs der lokalen IndustriALL-Mitgliedsgewerkschaft IWFM aus den ACT Aktivitäten, da sie unter den herrschenden Umständen nicht mehr frei arbeiten kann. ACT wird sein künftiges Engagement prüfen, sobald sich die Lage im Land ändert (Mitteilung auf der ACT Webseite vom 15.12.2021).

Umgang mit Lieferant*innen und Produzent*innen

Im Oktober und November 2021 haben unsere Partner IWFM und IndustriALL Global Union zusammen mit den lokalen Gewerkschaften unter der Myanmar Labor Alliance und den relevanten globalen Gewerkschaftsverbänden alle internationalen Unternehmen aufgerufen, Myanmar zu verlassen – unter anderem mit der Begründung, so die finanzielle Unterstützung für das aktuelle Regime zu unterbrechen.

Wir sind der Ansicht, dass die Textilindustrie im Land sehr wenige bis keine Verbindungen zu dem Regime hält. Das gilt insbesondere für die ausländischen Produzent*innen, die Fabriken im Land aufgebaut haben und mit denen wir ausschließlich zusammenarbeiten. Auch wir sahen die Voraussetzungen und Mittel nicht mehr gegeben, mit der notwendigen menschenrechtlichen Sorgfalt in Myanmar tätig zu sein. Allerdings sind für uns angesichts der systematischen Verfolgung von Gewerkschaften und deren Mitgliedern, den massiven Grundrechtseinschränkungen, dem hohen Risiko gewaltsamer Eskalation, dem notgedrungenen Ende unseres Projektes für sozialen Dialog und dem Rückzug von ACT on Living Wages.

Wir haben uns deswegen für einen Rückzug aus Myanmar entschieden. Diesen werden wir bis Mitte 2022 in enger Absprache mit unseren Lieferant*innen und Produzent*innen graduell umsetzen. Als Leitlinie gilt für uns das mit ACT entwickelte Rahmenwerk für Unternehmen zum verantwortungsvollen Auftragsstopp (siehe oben und auf der ACT Webseite) und die ACT Richtline und Checkliste für verantwortungsvollen Rückzug (PDF). Im Zuge dessen lassen wir alle Aufträge bei unseren verbliebenen sechs Produzent*innen (insgesamt ca. 8.000 Beschäftigte) wie vereinbart durchführen, vergeben aber keine weiteren Aufträge. Die Hersteller*innen wurden sofort individuell darüber informiert und haben konkrete Vorgaben für den Umgang mit ihren Beschäftigten von uns erhalten. Das betrifft vor allem Fristen, Löhne und Entschädigungen. Wir überprüfen die Umsetzung regelmäßig. Wir sind uns bewusst, dass unser Rückzug zwangsläufig Entlassungen von Arbeiter*innen bis hin zu Fabrikschließungen zur Folge hat. Deswegen haben wir unser gesamtes für 2021 geplantes Projektbudget in humanitäre Hilfsprojekte vor Ort investiert, insbesondere zur finanziellen Unterstützung von ehemaligen Textilarbeiterinnen, vor allem Müttern, die im Zuge der Krise entlassen wurden.

Diese für Tchibo bislang nie dagewesenen Entwicklungen bestürzen uns zutiefst und erfüllen uns mit großem Bedauern. Wir hoffen auf eine deutliche Verbesserung der Situation in Myanmar und werden in diesem Falle unser Engagement vor Ort neu bewerten.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Wir wollen die Menschen in unseren Lieferketten insbesondere dadurch unterstützen, dass wir ihnen Räume schaffen, in denen sie ihre eigene Kraft entdecken und ihre Stimme finden können, um ihre Rechte zu verhandeln. Uns ist es wichtig, den ehrlichen Dialog zwischen den Beschäftigten und dem Management zu fördern. Zudem arbeiten wir kontinuierlich daran, unsere Wertschöpfungsketten transparenter zu machen, um auch auf tieferen/vorgelagerten Stufen Veränderungen zu bewirken. All dies erfordert Zeit, Mut und Kooperation.

Unsere Maßnahmen in der COVID-19 Pandemie

Seit Anfang 2020 ist die COVID-19 Pandemie eine große Herausforderung für alle weltweit, auch für uns.

Die Pandemie ist mehr als nur eine Sache der Gesundheit. Sie hat uns gezeigt, wie fragil unsere modernen vernetzten Gesellschaften sind. Während die Lockdowns in Asien die Produktion stark beeinträchtigten oder gar stoppten, haben die Lockdowns in Europa den Warenabsatz hart getroffen. Darunter leiden besonders die Menschen, die unsere Produkte herstellen. Ihnen drohen Einkommens- und Jobverlust, im schlimmsten Fall Armut; ohne staatliche Absicherung durch Kranken- und Arbeitslosenversicherungen sind die Reserven der ohnehin sehr niedrigen Löhne schnell aufgebraucht. Unsere Menschenrechtsarbeit ist damit heute wichtiger denn je. Sie trägt zum Schutz derjenigen bei, die sich nicht vor dem Virus in Sicherheit bringen und auf kein einziges Monatseinkommen verzichten können.

Wir haben 2020 viele unserer Maßnahmen an die neuen Umstände angepasst und zusätzliche Aktivitäten gestartet: Unsere Lieferant*innenvorgaben, Einkaufspraktiken, Auditierungen und das WE Programm wurden an die neue Situation angepasst, der Bangladesh Accord führte neue Sicherheitsmaßnahmen ein, und Partner*innen setzten Gesundheitsschutzangebote für Produzent*innen in Bangladesch und Indien um. Wir haben unsere Partnerschaft mit IndustriALL Global Union durch eine neue Deklaration gestärkt und unsere Brancheninitiative ACT on Living Wages als Plattform zur Krisenbewältigung mit Gewerkschaften und Arbeitgeber*innen genutzt. Für eine ganzheitliche und langfristige Antwort auf die sozialen Krisen in den Ländern unserer Produzent*innen sind wir der Initiative „COVID-19: Action in the Global Garment Industry“ der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, des Internationalen Arbeitgeberverbands IOE und des Internationalen Gewerkschaftsverbands ITUC beigetreten (siehe Tchibo Menschenrechtsbericht Non Food 2020). Im Jahr 2021 haben wir diese in unseren Regelbetrieb überführt. Fortschritte und Ziele sind in den jeweiligen Kapiteln des Menschenrechtsberichts (Non Food) zu finden.

Die zweite Hälfte des Jahres war für die ganze Welt zusätzlich von massiven Auswirkungen auf Logistikabläufe in den Lieferketten geprägt, im Fall von Tchibo insbesondere auf die Transportwege zwischen Asien und unseren Lagern in Europa. Durch weltweite Gesundheitsschutzmaßnahmen, Lockdowns und Änderungen des Konsumverhaltens in Europa und Nordamerika sind der internationale Handel und Transportabläufe zunehmend aus ihrem langjährigen Rhythmus geraten. Dieser Umstand führte 2021 dazu, dass der größte Teil der weltweiten Transporte per Schiff erheblich verspätet war, bei nachfolgender ebenfalls hoher Belastung und Verspätung von Schienen- und Luftfracht. Gleichzeitig steigende Energiepreise verstärkten die Effekte nochmals. Wir rechnen damit, dass diese Entwicklung in 2022 anhalten wird.

Fortschritte & Ziele: Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten

Wir arbeiten beständig daran, unser menschenrechtliches Managementsystem noch stärker an die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – und damit auch an den ehemaligen NAP, das künftige LkSG, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die entsprechenden Anforderungen in der Berichterstattung – anzupassen:

  • 2021 haben wir eine grundlegend neue, breit angelegte menschenrechtliche Risikoanalyse für unsere Lieferketten für Non Food-Artikel und Kaffee, unsere interne Beschaffung und Personal erarbeitet und werden diese in 2022 vertiefen, um die Ergebnisse im nächsten Schritt in unser Managementsystem und unsere Maßnahmen einfließen zu lassen. Die Tchibo Menschenrechts- und Umweltpolitik in landwirtschaftlichen Lieferketten wurde 2021 erarbeitet. Diese Richtlinie wird ab 2022 angewendet, formuliert Grundsätze, Ziele sowie die Erwartungshaltung von Tchibo und dient als Richtlinie für die Entwicklung neuer Farmer*innenprojekte. Die Agrarpolicy ist im Bereich Downloads unter Tchibo Policies & Commitments zu finden.

  • Um unsere textilen Lieferketten tiefer nachzuverfolgen und die menschenrechtlichen und umweltrelevanten Risiken im Baumwollanbau zu bearbeiten, haben wir im Jahr 2020 ein Projekt mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Fairtrade Deutschland und dem Textilhersteller Dibella im indischen Bundesstaat Odisha gestartet. In diesem Projekt unterstützen wir über 800 Farmer*innen der Chetna Kooperative durch den Zugang zu Trainings und Saatgut beim Anbau nachhaltiger Baumwolle. Eine Abnahmegarantie der produzierten Baumwolle und die Zahlung einer Fairtrade-Prämie sowie einer Prämie für nachhaltigen Anbau minimieren zudem das finanzielle Risiko der Farmer*innen bei der Umstellung von konventionellem auf ökologischen Anbau.

Wir sind davon überzeugt, dass die UN-Leitprinzipien menschenrechtlicher Sorgfalt in Lieferketten für alle Unternehmen gelten sollten. Darum engagieren wir uns seit 2019 für ein deutsches und europäisches Sorgfaltspflichtengesetz. In diesem Sinne begrüßen wir die Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) durch den Bundestag im Juni 2021 ausdrücklich.

  • Wir haben uns an zwei öffentlichen Positionierungen auf der Plattform des Business & Human Rights Resource Center zu diesem Thema beteiligt (April 2021, November 2021), ein weiteres Positionspapier veröffentlicht (Januar 2021) und an zahlreichen Diskussionsveranstaltungen teilgenommen.

  • Im Dezember 2021 führten wir ein bilaterales Konsultationsgespräch mit dem mit der Umsetzung des LkSG betrauten Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (BAFA) zum Thema Handreichungen für Unternehmen und Berichtspflichten.

  • Darüber hinaus haben wir uns über unsere Mitgliedschaft im Unternehmensverband AVE an einer Positionierung zum Entwurf des LkSG (April 2021) sowie an den öffentlichen Konsultationen der EU-Kommission zu nachhaltiger Unternehmensführung (Februar 2021) und der EU-Strategie für nachhaltige Textilien (August 2021) beteiligt.

  • Wir wollen 2022 weiterhin dazu beitragen, dass politische Entscheidungsträger*innen und Unternehmen eine ehrliche und ergebnisorientierte Debatte führen, warum und wie die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in Lieferketten verpflichtend sein sollte. Wir werden dabei auf Deutschland und Europa Bezug nehmen. Dazu werden wir öffentliche und interne Formate fördern. 

Risikomanagement und Auditierung

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Ein wichtiges Merkmal des Tchibo Produktangebotes ist, dass wir einen Großteil unserer Produkte selbst entwerfen und auch die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards, die häufig über dem Marktniveau liegen, selbst definieren. Um diese gut umzusetzen, arbeiten wir mit langjährigen Geschäftspartner*innen zusammen und bündeln unsere Einkaufsvorhaben. Jährlich kaufen wir so bei ca. 700 bis 800 Fabriken ein, größtenteils in Asien und Europa; davon stellen 200 bis 300 Textilien her – bei unserer großen Auswahl an Produkten sind das nicht viele Zuliefernde. Viele Produktionsstätten sind auf bestimmte Produkte spezialisiert. Um neue Produkte und Produktinnovationen anzubieten sowie wettbewerbsfähig zu bleiben, setzen wir – neben langjähriger Zusammenarbeit – auch immer wieder auf neue Zuliefer*innen und Hersteller*innen. Mit unserem Monitoring- und Auditierungsprogramm wählen wir diejenigen Fabriken aus, die einen Mindeststandard in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltaspekte einhalten. Mit Fabriken, bei denen wir regelmäßig einkaufen, arbeiten wir mit den Beschäftigten und Arbeitnehmer*innenvertretungen sowie dem Management gemeinsam daran, Verbesserungen umzusetzen.

Eine vollständige Liste der Tchibo Textilproduzent*innen und Nassbetrieben ist im Bereich Downloads unter Supply Chain Transparency und in der Open Apparel Registry zu finden.

Mit dieser Strategie und diesen Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

In unserem Risikomanagement und unserer Auditierung bewerten wir die menschenrechtliche Situation in unseren Herstellungsländern und Produktionsstätten. Für die Analyse der Herstellungsländer greifen wir auf Veröffentlichungen von anerkannten Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Forschungsinstituten sowie unsere eigene Erfahrung vor Ort zurück. Daraus ergeben sich zum einen thematische und länderspezifische Richtlinien, in denen wir die allgemein gültigen Anforderungen des Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) konkretisieren.

Der Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) ist in allen Sprachversionen im Bereich Downloads unter Supplier Policies & Guidelines zu finden.

Zum anderen führen wir alle zwei Jahre eine Bewertung aller Herstellungsländer durch und gruppieren diese in vier Kategorien, an denen wir unsere Auditvorgaben anlehnen:

  1. Niedriges Risiko: kein Audit erforderlich

  2. Mittleres Risiko: eintägiges Sozial- und Umweltaudit erforderlich (zum Teil im Rahmen von Qualitätsaudits durchgeführt, wenn Auditor*innen über notwendige Fachkenntnisse verfügen)

  3. Hohes Risiko: zweitägige Sozial- und Umweltaudits durchgeführt von externen Auditdienstleister*innen

  4. Kein Einkauf erlaubt

Die Risikobewertung unserer Herstellungsländer und daraus folgende Richtlinien (Social and Environmental Country Risks and Policies) ist im Bereich Downloads unter Tchibo Policies & Commitments zu finden.

Mit Sozial- und Umweltaudits überprüfen wir die Einhaltung der im vertraglich bindenden Tchibo Social and Environmental Code of Conduct (SCoC) festgelegten Standards. Die Auditierung von neuen Fabriken erfolgt in der Regel vor der Vertragsunterzeichnung mit den Lieferant*innen. Das Auditergebnis bestimmt die Einkaufsentscheidung: Nur wer die Mindestanforderungen erfüllt, wird in unser Portfolio aufgenommen. Vor der Behebung von Null-Toleranz-Verstößen dürfen keine Aufträge bei den Produzent*innen platziert werden. Zu diesen zählen beispielsweise blockierte Notausgänge, fehlende Arbeitsverträge, Bezahlung unter dem gesetzlichen Mindestlohn oder in das Grundwasser austretende Chemikalien. Bei anderen Verstößen – beispielsweise das Nicht-Tragen vorhandener Schutzkleidung, unvollständige Arbeitsverträge, verspätete Lohnzahlungen oder fehlende Sicherheitsbeschriftung auf Chemikalien – geben wir den Produzent*innen mehr Zeit, diese zu beheben. Aufträge können platziert werden, wenn Lieferant*innen Verbesserungspläne vorlegen.

Um die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in Fabriken, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, zu unterstützen, setzen wir auf das Dialogprogramm WE. Produzent*innen, die nicht durch unser WE Programm abgedeckt sind, auditieren wir alle drei Jahre. Diesen Fabriken räumen wir eine Frist von vier Wochen ein, um Null-Toleranz-Mängel zu korrigieren. Wird diese Frist nicht eingehalten, wird der/die Hersteller*in gesperrt. Er/sie erhält keine neuen Aufträge, bis die Mängel abgestellt sind. Damit signalisieren wir, dass die vorgefundenen Verstöße inakzeptabel sind, aber geben den Geschäftspartner*innen gleichzeitig Zeit, diese zu beheben. Sonst riskieren wir einerseits, dass Fabriken Missstände verheimlichen; andererseits sehen wir uns in der Verantwortung, eventuell von Tchibo abhängige Arbeitsplätze und Einkommen von Beschäftigten nicht vorschnell aufs Spiel zu setzen.

Audits stoßen an Grenzen

Dem Anspruch, dass Audits in der Lage sind, ein tatsächliches Bild über die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten in Fabriken zu zeichnen und die Umsetzung zu überprüfen, stehen wir kritisch gegenüber: Sozialaudits stoßen an Grenzen, wenn es darum geht, langfristig Fortschritte zu erzielen. Sie zeigen in der Regel nur die zum Zeitpunkt der Prüfung offenkundigen Mängel. Das bedeutet, dass Aspekte wie Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder auch Gewerkschaftsfreiheit schwer zu erkennen und schon gar nicht im Fortschritt überprüfbar sind. Oft bestätigen Audits, dass diese Anforderungen erfüllt werden. Viele Untersuchungen und unsere Erfahrungen in Produktionsländern sagen uns jedoch etwas anderes.

Wir konzentrieren uns deshalb auf Kriterien, bei denen wir auch durch punktuelle Fabrikbesuche einen Einblick in die Fabriksituation erhalten: Arbeits- und Gesundheitsschutz, Personalmanagementsysteme und sichtbare Umweltverschmutzung. Im Gegensatz dazu fragen wir Diskriminierung und Verstöße gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit in unseren Auditformaten gar nicht erst ab, sondern gehen von vornherein davon aus, dass die Vorgaben nicht eingehalten werden. Verbesserungen in diesen Bereichen erzielen wir mit unserem Dialogprogamm WE und unserer Arbeit mit Gewerkschaften. Mit diesen Ansätzen begegnen wir auch anderen Schwachstellen von Audits wie fehlender Mitarbeiter*innenbeteiligung und der Mehrfachaufzeichnung von Arbeitszeit.

Auditzahlen reduzieren

Die Durchführung von Audits bindet bei allen Beteiligten erhebliche Ressourcen. Personalabteilungen der Hersteller*innen berichten immer wieder, dass wöchentlich oder sogar täglich Audits stattfinden. Es bleibt kaum Zeit, sich um die Belange der eigenen Mitarbeiter*innen zu kümmern. Um die Arbeit für alle etwas leichter zu gestalten, akzeptieren wir auch Prüfergebnisse unabhängiger Standardorganisationen, die die Produzent*innen einreichen können. Sie müssen allerdings alle Themen abdecken, die wir als Null-Toleranz-Mängel gegenüber unserem SCoC eingestuft haben. Gegebenenfalls prüfen wir bestimmte Punkte unserer Null-Toleranz-Anforderungen trotzdem ab. Auch Folgeaudits, die die Verbesserung von Mängeln kontrollieren, versuchen wir zu vermeiden. Wenn wir anhand von Foto- und Videomaterial feststellen können, dass ein Mangel behoben wurde, akzeptieren wir dies als Beleg. Bei Handelspartnerschaften mit anderen namhaften Marken verzichten wir auf die eigene Auditierung, wenn die Firmen ein eigenes Monitoringprogramm zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards nachweisen können. In Fällen, in denen wir Hartwarenprodukte anderer Marken online anbieten, sind die Lieferant*innen selbst in der Pflicht, die Einhaltung der Arbeits- und Umweltstandards zu überprüfen; oftmals sind die Produkte bereits vorproduziert.

Diese externen Auditstandards lassen wir in unseren Überprüfungen auch zu:

BSCI

WRAP

Smeta 4-Säulen-Audit

SA 8000 mit ISO

Es ist uns wichtig, langfristige Geschäftsbeziehungen zu unseren Produzent*innen aufzubauen. So können wir die Umsetzung von Maßnahmen, die aus unserer Auditbewertung hervorgehen, regelmäßig prüfen und vor allem begleiten. Die Partnerschaft bei Verstößen automatisch zu beenden, ist nicht hilfreich. Denn das führt dazu, dass Fabriken viel daransetzen, Missstände zu verheimlichen. Die Beendigung der Geschäftsbeziehung ist stets das letzte Mittel, wenn ein Produzent oder eine Produzentin nicht gewillt ist, Verbesserungen umzusetzen.

Partizipatives Audit

Nicht alle Fabriken, bei denen wir einkaufen, können wir in das WE Programm aufnehmen: In einigen Ländern kaufen wir nicht genug ein, um ein regelmäßig arbeitendes lokales WE Team aufzubauen. Bei vielen Fabriken möchten wir abwarten, wie sich die Geschäftsbeziehung entwickelt, bevor wir das langjährige Programm starten. Nur ein Sozial- und Umweltaudit durchzuführen, erscheint uns allerdings zu wenig, um notwendige Verbesserungen anzustoßen. Seit 2019 entwickeln wir ein Instrument, das die übliche Fabrikprüfung durch Audits und den Dialogansatz unseres WE Programms kombiniert: das „Partizipative Audit“. Damit wollen wir den fehlenden, aber notwendigen Dialog zwischen Management und Beschäftigten einer Fabrik anstoßen, der bei regulären Audits ausbleibt. Aufbauend auf den Methoden und Erkenntnissen des WE Programms folgt das Instrument einem partizipativen, also beteiligenden Ansatz.

Das Vorgehen: Unsere lokalen Partner*innen führen in der ausgewählten Fabrik ein erstes Audit auf Basis der sozialen Vorgaben unseres SCoC durch, erarbeiten mit dem Fabrikmanagement einen Verbesserungsplan und unterstützen dann ein Fabrikteam aus Mitarbeiter*innen, dessen Zusammensetzung sie auf Basis der Auditergebnisse empfehlen, in der Umsetzung der Verbesserungen. Am Ende erfolgt eine finale Prüfung. Der Prozess wird nach maximal einem Jahr abgeschlossen.

Damit werden diejenigen in die Überprüfung und Verbesserung des Arbeitsplatzes eingebunden, die tagtäglich vor Ort und gleichzeitig die Schlüsselfiguren für dauerhaft bestehende Verbesserungen sind. Gleichzeitig erlaubt der Ansatz den Fabriken ein besseres Verständnis unserer Anforderungen und ihrer Gründe, mehr Zeit für die Verbesserungsmaßnahmen und Raum für Anpassungen an ihre individuellen Herausforderungen als übliche Audits.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Wir führen unser Monitoring- und Auditprogramm kontinuierlich fort. 2021 haben wir folgende Anpassungen gemacht:

COVID-19 Pandemie
  • Während der COVID-19 Pandemie haben wir unsere Auditprozesse angepasst. Wenn das Infektionsgeschehen in den jeweiligen Ländern hoch ist, Reisen eingeschränkt sind oder andere nationale Beschränkungen gelten, können wir Sozial- und Umweltaudits nicht regulär durchführen. Um die Auditor*innen nicht zu gefährden, das Risiko für die Beschäftigten nicht zu erhöhen und um die Lieferant*innen in der organisatorisch ohnehin schon schwierigen Zeit zu entlasten, verschieben wir in Absprache mit den Betrieben die Audittermine. Wir weichen damit von unseren Standardprozessen ab und bestellen Ware gegebenenfalls auch ohne vorliegende Auditergebnisse oder akzeptieren bereits absolvierte Auditzertifikate, die wir sonst nicht anerkennen, beispielsweise BSCI in Bangladesch oder SMETA 2-Pillar.

Partizipative Audits
  • Im Jahr 2021 haben wir die 2020 begonnenen Testläufe (einer in Bangladesch und drei in China) fortgeführt. Zwei der Fabriken haben den Durchlauf erfolgreich abgeschlossen, zwei weitere erhalten mehr Zeit für die nötigen Verbesserungen. Die Erfahrungen und Rückmeldungen der Beteiligten waren grundsätzlich so gut, dass wir für 2022 mit einigen Prozessveränderungen weitere Tests planen, um das partizipative Audit dann vollständig in unser Auditprogramm zu integrieren und zu skalieren. Gleichzeitig gestaltet sich der Ausbau des Instruments aktuell schwieriger als erwartet, unter anderem, weil wir bisher keine/n passende/n Auditdienstleister*in gefunden haben, der/die ausreichend Erfahrung mitbringt, partizipativ und mit Beschäftigten direkt zu arbeiten.

  • Unser Ziel ist es, das Instrument fest in unserem Menschenrechtsprogramm zu integrieren. Aktuell liegt der Fokus auf China, da wir dort bei Weitem die meisten Produktionspartner*innen haben, die wir zurzeit nicht in das WE Programm integrieren.

Moderne Sklaverei
  • Im Rahmen eines Projekts des Global Fund to End Modern Slavery überprüft der Auditdienstleister Elevate neben den Sozial- und Umweltkriterien auch die Produktionskapazitäten in den Fabriken. Damit soll ausgeschlossen werden, dass die Produktion in unbekannte, nicht auditierte Produktionsstätten ausgelagert wird, wo das Risiko höher ist, auf Formen von Zwangsarbeit und moderner Sklaverei zu treffen. 2021 haben wir drei unserer Textilproduzent*innen in Indien überprüfen lassen und konnten in einem Fall eine Weitergabe von Tchibo Produktion feststellen. Die dort festgestellten Mängel und Verstöße gegen unseren SCoC wurden gemäß unserem Ansatz (siehe GRI 414) behoben, und die Unterauftragsvergabe wurde beendet. Das Projekt wurde 2021 von Elevate erfolgreich beendet. Durch das Engagement von Wissenschaftler*innen, Organisationen und Initiativen wurde in den letzten Jahren deutlich, dass das Risiko für Zwangsarbeit im Baumwollanbau und in anderen Agrarbereichen teils sehr hoch ist. Wir arbeiten dauerhaft und mit aller Intensität daran, diese Erkenntnisse in unsere Prozesse zu integrieren und das Risiko in unseren Lieferketten auszuschließen.

WE – Worldwide Enhancement of Social Quality

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

In der täglichen Praxis der Produktion treffen Menschenrechtsfragen auf betriebliche Herausforderungen wie einzuhaltende Lieferzeiten, knappen Kapitalfluss und hohe Personalfluktuation. Arbeiter*innen, Manager*innen, Eigentümer*innen, Gewerkschaften und Handelsunternehmen haben alle unterschiedliche Ansichten darüber, was in diesem Spannungsfeld wichtig ist. So sind Arbeiter*innen und Produktionsleiter*innen sich vielleicht darin einig, dass viele Überstunden nötig sind, wenn sie knappe Fristen einhalten wollen, worüber sich oft auch Beschäftigte freuen, weil Überstunden zusätzlich entlohnt werden. Gleichzeitig will niemand leichtfertig Verletzungen riskieren, zu denen es kommt, weil Beschäftigte wegen der Überstunden müde sind. Beispiele wie dieses zeigen, dass es keine einfachen Lösungen für bessere Arbeitsbedingungen gibt, auch wenn alle Beteiligten daran arbeiten.

Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es nicht ausreicht, sich auf die reine Kontrolle durch Audits zu verlassen. Sexuelle Belästigung zu erkennen und zu verhindern benötigt andere Herangehensweisen als beispielsweise die Umsetzung von Feuerschutzmaßnahmen. Menschenrechte sind nicht allein durch die Analyse von Sachverhalten messbar, sondern basieren auf Beziehungen. Der Schlüssel für Verbesserungen liegt im Dialog aller beteiligten Menschen: Dies ist unser Weg, um Beziehungen und Arbeitsweisen so zu verändern, dass Menschenrechte geschützt werden. 2008, zu Beginn des WE Programms, war dieser Ansatz eine echte Innovation. Doch damals wie heute ist es ein komplexes Unterfangen. Im Laufe der Jahre haben wir gelernt, dass verantwortungsvolles Handeln Geduld erfordert und dass unser Einfluss manchmal begrenzt ist. Dennoch glauben wir, dass der WE Ansatz ein Weg ist, auf faire und integrative Art und Weise in globalen Wertschöpfungsketten zu arbeiten.

Mit dieser Strategie und diesen Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

Zweck des WE Programms

Der Zweck des WE Programms besteht darin, die Arbeitsbedingungen in unseren Lieferketten dauerhaft und selbsttragend zu verbessern. Es unterstützt unsere Produzent*innen dabei, die Vorgaben unseres SCoC einzuhalten und darüber hinauszugehen. Es ist ein dialogbasiertes Programm, das in Fabriken unserer wichtigen Herstellerländer läuft. Unsere Ausgangslage: Alle Beteiligten leisten einen Beitrag und sollen die Möglichkeit haben, ihre Stimme einzubringen.

Im Verlauf des Programms kommen Arbeiter*innen, Arbeitnehmervertreter*innen und – wenn vorhanden – Gewerkschaftsvertreter*innen sowie Manager*innen in regelmäßigen Abständen zusammen. Sie entwickeln ein gegenseitiges Verständnis für ihre jeweiligen Situationen und Probleme, setzen sich couragiert mit den Menschenrechten an ihrem Arbeitsplatz auseinander und entwickeln zusammen Lösungen für Verbesserungen. Ein wichtiger Baustein dafür ist es, Vertrauen aufzubauen.

Menschen- und Arbeitsrechte in WE

WE basiert auf unserer Abschätzung der menschenrechtlichen Risiken in unseren Lieferketten und orientiert sich an den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und internationalen Menschenrechtskonventionen. Es konzentriert sich auf die Bereiche mit dem größten Verbesserungsbedarf:

  1. Löhne und Arbeitszeit
  2. Vereinigungsfreiheit und Arbeitnehmer*innenvertretung
  3. Diskriminierung und sexuelle Belästigung
  4. Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
  5. Moderne Sklaverei und Kinderarbeit
Wie funktioniert WE?

Dialog in WE heißt nicht nur, dass Menschen miteinander reden. Es handelt sich um einen strukturierten Prozess zur Schaffung einer erwünschten Zukunft, der die Beteiligten auffordert, aktiv daran teilzunehmen. Sie setzen sich damit auseinander, wie ihr Arbeitsplatz und ihre Beziehung zueinander in Zukunft aussehen sollten, anstatt ihren Blick auf die bestehenden Probleme im Hier und Jetzt zu verengen und darauf zu verharren. Dieser Ansatz eröffnet ihnen neue Wege, ihre Realität zu verändern. Dabei stellen wir sicher, dass immer beide Seiten teilnehmen – Arbeiter*innen und Arbeitnehmervertreter*innen sowie Fabrikmanager*innen. Wir halten sie an, alle Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Der Prozess nimmt Zeit in Anspruch; gleichzeitig zeigt unsere Erfahrung, dass die Beteiligten es auf diesem Weg selbst in die Hand nehmen, nötige Veränderungen an ihrem Arbeitsplatz umzusetzen.

Unser WE Prinzip: “Start where the factory is”.

Wir setzen an jenen Herausforderungen an, vor denen die Lieferant*innen und die Beschäftigten im jeweiligen Moment stehen. Deswegen ist das WE Programm keine Schablone, sondern immer maßgeschneidert. Zu Beginn des Programms definieren alle Teilnehmer*innen den Weg, den sie einschlagen wollen. Das heißt, dass sie die Abfolge, in der sie die fünf genannten Menschenrechtsbereiche bearbeiten wollen, gemeinsam bestimmen – je nachdem, welches Problem am drängendsten ist.

WE ist kein Training, sondern ein moderierter Prozess. Dafür arbeiten wir mit lokalen Teams spezialisierter Expert*innen zusammen, unseren WE Facilitator*innen. Das Programm läuft je Fabrik immer mindestens zwei Jahre lang; in vielen Ländern führen wir das Programm kontinuierlich fort. Zwischen jeder Intervention, wie wir die einzelnen Einheiten nennen, liegt nur ein kurzer Zeitraum von zwei bis drei Monaten. Wenn wir mit dem Programm beginnen, stellen wir klar, dass sich alle zu zwei Bedingungen verpflichten: Wir erwarten echte Fortschritte in einem angemessenen Zeitraum, und die gegenwärtigen Herausforderungen in der Fabrik müssen transparent für alle sein. Denn nur, wenn Probleme anerkannt werden, können wir sie lösen.

Wo gibt es WE?

Das WE Programm ist in Fabriken in Bangladesch, China, Indien, Kambodscha, Pakistan, Vietnam und der Türkei aktiv. Die Fabriken stellen Bekleidung und Textilien, Lederwaren, Schmuck, Elektronikartikel, Möbel, Metallwaren und Küchenutensilien für Tchibo und andere Kund*innen her.

Über die Jahre haben wir unseren WE Ansatz kontinuierlich angepasst

Das haben wir im Laufe der Jahre gelernt und unseren Ansatz entsprechend angepasst:

2008 - 2011: Pilotphase mit der GIZ
  • Moderierter Dialog zwischen allen Beteiligten – Arbeiter*innen, Arbeitnehmer*innen, Manager*innen, Fabrikleitung und Tchibo Einkäufer*innen – ist möglich und bewirkt Verbesserungen.
  • Ein Austausch und Maßnahmen des wechselseitigen Lernens zwischen Fabriken (Peer Learning) fördert Veränderungsprozesse – auch dadurch, dass positive Konkurrenz entsteht.
  • Der Dialogansatz erzielt in vielen Arbeitsbereichen bessere Ergebnisse als wiederholte Fabrikauditierung.
  • Die Themen Gewerkschaftsfreiheit und Existenzlohn lassen sich auch mit dem Dialogansatz auf Fabrikebene nicht lösen, weil sie systemische Ursachen haben. Tchibo ruft deshalb weitere Arbeitsstränge zu diesen Themen ins Leben.
2012 - 2015 Ausbau in die Tchibo Lieferkette

Seit 2012 rollen wir das WE Programm aus. Neben den Ländern der Pilotphase Bangladesch, China, Laos und Thailand bauen wir das WE Programm auch in Äthiopien, Indien, Kambodscha, Vietnam und in der Türkei auf. Insgesamt haben wir bis Ende 2015 323 Fabriken integriert. Wir lernen dabei:

  • Der Dialogansatz ist universell und vielseitig einsetzbar.
  • Mit Einsatz und Investition lässt sich eine Alternative zu der branchenüblichen Fabrikauditierung etablieren.
  • In vielen Ländern begleiten wir Fabriken kontinuierlich dabei, Arbeitsrechtsverletzungen zu beheben.
  • Das aktive Programm für Thailand und Laos beenden wir, weil beide Länder aufgrund internationaler Einkaufstrends auch für unseren eigenen Einkauf an Bedeutung verloren haben.
2016 - 2017: Re-Fokussierung

Wie bei Expansionen nicht unüblich, stellen wir zu diesem Zeitpunkt fest, dass wir beim Ausbau zwischenzeitlich zu sehr auf Quantität anstelle von Qualität gesetzt haben:

  • Wir rücken die menschenrechtlichen Themen und die WE Werte (Dialog, Empowerment und Co-Creation) zurück in den Mittelpunkt.
  • Dem Aspekt der Moderation der Dialogprozesse (Facilitation) messen wir einen höheren Stellenwert bei; unsere lokalen WE Expert*innen und Teams müssen sich neben inhaltlicher Expertise auch durch die Fähigkeit auszeichnen, Transformationsprozesse anleiten zu können.
  • Wir entschlacken Prozesse und bauen Strukturen ab, um mit mehr Flexibilität auf die Herausforderungen und Bedürfnisse einzugehen.
  • Tchibo Mitarbeiter*innen sind wieder häufiger vor Ort, um die Veränderungsprozesse in den Fabriken zu begleiten.
Seit 2018: Stärkung der Teams vor Ort

Wir führen die 2016 eingeleiteten Änderungen fort und setzen dabei gleichzeitig auf eine Stärkung und Vernetzung der lokalen WE Teams:

  • Die lokalen WE Teams (Facilitators) erhalten viel Flexibilität, das Programm auf das jeweilige Land und die jeweilige Fabrik anzupassen. Tchibo begleitet sie bei dieser Arbeit eng.
  • Neue Ideen werden – teilweise auch nur in einzelnen Ländern oder Fabriken – ausprobiert. Die Lernerfahrungen fließen kontinuierlich in die Weiterentwicklung des Programms ein.
  • Die lokalen WE Teams arbeiten vernetzt: In Online-Formaten sowie bei länderübergreifenden Aktivitäten lernen sie voneinander und ergänzen sich in ihren Fähigkeiten und Erfahrungen. Im Jahr 2019 wurde dafür auch ein besseres gemeinsames Datenmanagement eingeführt. Weiterhin führen wir zwei Mal im Jahr internationale Konferenzen (ITCs) aller WE Facilitator*innen durch. Nach methodischen Schwerpunkten im Jahr 2019 („Working with Stories“ und „Working with Complexities“) haben wir 2020 inhaltliche Schwerpunkte rund um die fünf WE Fokusthemen gesetzt.
  • Das WE Programm wird von unseren lokalen Mitarbeiter*innen in den Einkaufsbüros in Hongkong und Dhaka geleitet, um auch an diesen Standorten den Anschluss an die Einkaufstätigkeiten sicherzustellen. Im Jahr 2019 waren sie eng in lokale WE Aktivitäten eingebunden, und in China wurden erstmals Einkaufsentscheidungen zusammen mit WE Facilitator*innen getroffen.
Seit 2020: WE in der COVID-19 Pandemie

In der weltweiten COVID-19 Pandemie hat sich gezeigt, dass sich unsere Arbeitsweisen bewährt haben. Wir haben das WE Programm auch in den Krisenzeiten fortgeführt:

  • Je nach pandemischer Lage führen die WE Facilitator*innen die Aktivitäten mit Arbeiter*innen und Manager*innen online, in hybrider Form zwischen online und vor Ort oder in Präsenz unter strenger Einhaltung der nationalen Hygienevorgaben durch. Um den Kontakt zu den WE Fabriken und WE Programmteilnehmer*innen in den sich schnell ändernden Situationen zu halten, greifen die WE Facilitator*innen verstärkt auf die in den jeweiligen Ländern üblichen Social-Media-Kommunikationsmittel zurück.

  • Da wir über die Jahre mehr und mehr Verantwortung in die Länderteams gegeben haben, reagieren die WE Facilitator*innen gut und schnell auf die jeweiligen Gegebenheiten der Länder und der wechselnden Bedürfnisse in den Fabriken und passen die Aktivitäten nicht nur gemäß der lokalen Hygienevorschriften, sondern auch methodisch und inhaltlich an.

  • Die Notwendigkeit, vor allem digital zu arbeiten, hat die internationale Vernetzung noch verstärkt. Neben dem länderübergreifenden fachlichen und strategischen Austausch arbeiten die WE Facilitator*innen in den Fabriken zusammen, indem in hybrider Form WE Facilitator*innen aus anderen Ländern digital dazugeschaltet werden.

  • Über die Krisenzeit hinweg haben die WE Facilitator*innen Vertrauen aufbauen oder stärken können, weil das Fabrikmanagement zu schätzen wusste, dass sie in diesen besonderen Zeiten unterstützend zur Seite standen.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Neue WE Fabriken
  • Acht Fabriken sind neu in das Programm aufgenommen worden. Insgesamt waren damit seit 2008 432 Fabriken eingebunden, wovon Ende 2021 96 Fabriken am Programm teilnahmen. Im Jahr 2021 haben 4.900 Arbeiter*innen und Manager*innen an Aktivitäten teilgenommen.

  • Sieben Fabriken in China sind 2021 in das Programm re-integriert worden, um nach Jahren ohne von Tchibo durchgeführte WE Aktivitäten die dauerhafte Verankerung der Methoden und das gegenseitige Lernen zwischen den Fabriken zu stärken.

Infolge des Militärputsches in Myanmar im Februar 2021 haben wir alle dortigen Programmaktivitäten eingestellt. Dazu zählen auch unser Projekt zu Sozialem Dialog unter dem Schirm des WE Programms und die zugehörigen Aktivitäten. Mehr Informationen im Kapitel: Der Militärputsch in Myanmar

Kontinuierliche Weitertentwicklung

Wir entwickeln das Programm kontinuierlich weiter; dabei haben wir im Jahr 2021 folgende Schwerpunkte gesetzt bzw. Neuerungen umgesetzt:

  • Inhaltlich haben wir die Themen Finanzkompetenz in Indien sowie mentales Wohlergehen in Indien und Bangladesch, persönliches und organisatorisches Resilienz-Training in Vietnam und Diversität und Inklusion in der Türkei in die Programmarbeit aufgenommen.

  • In Indien haben wir die Qualifizierung der bereits 2020 in 13 Fabriken etablierten Komitees fortgeführt. Im Jahr 2021 wurden in zwei weiteren Fabriken neue Beschwerdekomitees aufgesetzt; für 2022 ist dies in vier weiteren Fabriken geplant.

  • Auch in Pakistan und Bangladesch sind fabrikinterne Beschwerdemechanismen gestärkt worden.

  • In Bangladesch sind in drei Fabriken sogenannte Fair Price Shops etabliert worden, in denen die Beschäftigten zum Einkaufspreis, der unter den üblichen Verkaufspreisen liegt, Grundnahrungsmittel erwerben können und somit im Ganzen niedrige Ausgaben haben.

  • Das Thema Vereinigungsfreiheit haben wir strategisch überarbeitet und die WE Facilitator*innen weitergebildet. Mehr Infos unter Fortschritte im Kapitel: Sozialer Dialog.

  • In der Folge eines Krisenfalls zum Thema Vereinigungsfreiheit mit einer Reihe von Beschwerden bei einem wichtigen und langjährigen Produzenten in der Türkei konnte das WE Team einen auf die Ursachen dieser Konflikte maßgeschneiderten Entwicklungsplan erfolgreich umsetzen. Der Plan hat die Einbindung der Gewerkschaft in Kommunikations- und Entscheidungsprozesse in der Fabrik zum Ziel und resultierte in der Gründung eines Komitees von Gewerkschaftsvertreter*innen und Fabrikmanager*innen unter ständiger Begleitung des WE Programms. Wir eruieren 2022 das Potenzial dieses Ansatzes als Vorbild für ähnliche Konflikte in anderen Fabriken und Ländern.

  • In Vietnam, wo vor allem die späteren COVID-19 Wellen zu spüren waren, haben wir gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium einen Workshop zur COVID-19 Prävention organisiert, an dem Manager*innen und Arbeiter*innen von sieben Fabriken teilnahmen, sowie eine Fabrikaktivität explizit dem Thema gewidmet.

  • Aus der Notwendigkeit heraus, digital zusammenzuarbeiten, haben wir die länderübergreifende Zusammenarbeit gestärkt. Neben dem bestehenden länderübergreifenden fachlichen und strategischen Austausch haben sich WE Facilitator*innen aus anderen Ländern bei hybriden Fabrikveranstaltungen digital dazugeschaltet; beispielsweise nahmen indische und kambodschanische WE Facilitator*innen an Fabrikaktivitäten in Pakistan teil. Kambodschanische Facilitator*innen unterstützten ein Treffen chinesischer Fabrikmanager*innen, die neben den Standorten in China auch Fabriken in Kambodscha leiten.

  • Infolge der guten Erfahrungen in Indien, wo die Mitarbeiter*innen unserer Einkaufsagentur mittlerweile regelhaft am WE Programm teilnehmen, haben wir auch in Pakistan die Einkaufsagentur in die Arbeit des WE Programms integriert.

  • Auch in 2021 haben wir sogenannte „internationale Team-Konferenzen“ – aufgrund der COVID-19 Pandemie komplett digital – durchgeführt und dabei den Fokus sowohl auf die Weiterbildung in methodischen Kompetenzen als auch auf die Weiterentwicklung des Programms gesetzt: Im April arbeiteten die WE Facilitator*innen zum Thema „Good Factories“ zusammen, um gute Beispiele im Programm zu identifizieren und von ihnen zu lernen. Unter dem Titel „Dancing with Powers“ bildeten sie sich im Oktober in Methoden der Improvisation fort und reflektierten gemeinsam, wie sie ihren eigenen sowie den Einfluss des Programmes vergrößern können. Zusätzlich fanden in den Sommermonaten unter dem Motto „Summer of Art and Love“ zahlreiche Aktivitäten statt, bei denen die WE Facilitator*innen sich methodisch weiterbilden und kreativ zusammenarbeiten konnten; auch in den Pandemie-Zeiten haben wir so einen bereichernden und motivierenden Austausch am Leben gehalten.

Herausforderungen, an denen wir kontinuierlich arbeiten

Auch wenn wir über die Jahre das Programm kontinuierlich weiterentwickeln, bleiben einige Herausforderungen bestehen – diese sind auch anderen Fachleuten im Bereich der Menschenrechts-, Transformations- oder Entwicklungsarbeit bekannt:

  • Dauerhafte Verankerung des WE Ansatzes in den Fabriken:
    Wir streben an, dass sich der WE Ansatz und damit die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen dauerhaft in den Fabriken verankert. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Anwendung der Methoden und die Arbeit daran in den Hintergrund oder sogar in Vergessenheit geraten, wenn wir die Arbeit nicht begleiten. Das kann auch bei Fabriken geschehen, welche im Prozess gute Verbesserungen erzielt haben. Dies kann unterschiedliche und mehrere Gründe haben: fehlendes Engagement der Firmen- und Fabrikleitung, andere Prioritäten im Alltag der Produktion, Personalfluktuation auch im mittleren Management.
    Unsere Herangehensweise: In allen Ländern außer China begleiten wir die Fabriken momentan kontinuierlich. Für China entwickeln wir einen Ablauf, um regelmäßig mit Fabriken in Kontakt zu treten, ohne das Programm in vollem Umfang dauerhaft zu begleiten; unser Einkauf ist in diesen Prozess und in die Auswahl der Fabriken eingebunden. Bei Bedarf – beispielsweise bei hohem Einkaufsvolumen und/oder erhöhtem menschenrechtlichen Risiko – entscheiden wir uns auch für die Wiederaufnahme in das reguläre Programm. Wir setzen darauf, in den Fabriken Prozesse zu etablieren, Arbeitnehmervertreter*innen zu stärken und Gewerkschaften einzubeziehen. . 

  • Engagement der Firmenleitung:
    Um möglichst viele und dauerhafte Verbesserungen in den Fabriken zu erzielen, braucht es die Zustimmung und die Unterstützung der Firmenleitung. Dies ist nicht immer zu erreichen – auch weil es sich teilweise um große Unternehmen handelt, deren Firmenleitung in anderen Ländern sitzt als an den Fabrikstandorten.
    Unsere Herangehensweise: Wir beziehen die Einkaufskolleg*innen mit ein, um die Bedeutung des Programms herauszustellen. Die erste Aktivität in einer Fabrik richtet sich an die Fabrikleitung; sie wird im Verlauf regelmäßig informiert und einbezogen.

  • Beteiligung der gesamten Belegschaft:
    Viele Fabriken in Asien haben einige Tausend Mitarbeiter*innen. Deshalb ist es uns nicht möglich, alle Beschäftigten direkt in das Programm einzubeziehen. Gleichzeitig ist es das Ziel, dass möglichst viele Arbeiter*innen über ihre Rechte informiert werden und von den Verbesserungen profitieren.
    Unsere Herangehensweise: Wir setzen darauf, in den Fabriken Prozesse zu etablieren, Arbeitnehmervertreter*innen zu stärken und Gewerkschaften einzubeziehen. Wir führen Aktivitäten durch, die auf die Sichtbarkeit der Arbeit zielen, wie beispielsweise Poster-Paraden in der Kantine. 

  • Wirkungsmessung:
    Wir erleben, dass das WE Programm wirkt – oft in Form von verändertem Verhalten. Dies ist mit klassischer, quantitativer Wirkungsmessung oft nicht abbildbar, die von einfachen Wirkmechanismen ausgeht (Aktivität A bewirkt B). In unserer Arbeit haben wir festgestellt, dass Wirkzusammenhänge oft komplexer sind. Wir suchen deshalb nach neuen Formen der Wirkungsmessung, in die wir vor allem die Geschichten der Beteiligten und ihre Erfahrungen einbeziehen.

Sozialer Dialog

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Auf lange Sicht können Arbeitsrechte nur dauerhaft etabliert werden, wenn Beschäftigte die Möglichkeit haben, ihre Interessen selbst zu vertreten. Arbeitnehmer*innenvertretungen und Gewerkschaften sind die Instrumente, die sie nachhaltig dazu befähigen, die Einhaltung ihrer Rechte am Arbeitsplatz einzufordern und zu überwachen. Deswegen arbeiten wir mit der internationalen Dachgewerkschaft IndustriALL Global Union zusammen.

Mit dieser Strategie und diesen Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

Als erstes Handelsunternehmen Deutschlands hat Tchibo im September 2016 eine Rahmenvereinbarung mit der internationalen Dachgewerkschaft IndustriALL Global Union für unsere Non Food-Lieferketten geschlossen. Sie sichert Arbeiter*innen die Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen, auch über unseren SCoC hinaus. Die Vereinbarung soll es ihnen leichter machen, gemeinsam mit örtlichen Gewerkschaften Löhne, Sozialleistungen und Arbeitszeiten innerbetrieblich und industrieweit auszuhandeln. Sie stärkt unser Engagement für Gewerkschaftsrechte und sozialen Dialog.

Die Rahmenvereinbarung ist auch unsere Grundlage, in branchenweiten Initiativen mit IndustriALL zusammenzuarbeiten. Das gilt zum Beispiel für unsere Arbeit zu existenzsichernden Löhnen in ACT und zu Gebäudesicherheit und Feuerschutz im Bangladesh Accord. Wir sind der Ansicht, dass der notwendige tiefgreifende Wandel unserer Welt und in den Branchen, in denen wir tätig sind, nur möglich ist, wenn die Stimme der Arbeiter*innen Teil der Lösung ist.

Unsere Globale Rahmenvereinbarung (Global Framework Agreement) ist in allen Sprachversionen im Bereich Downloads unter Tchibo Policies & Commitments zu finden.

Wir arbeiten auf zwei Wegen mit der Rahmenvereinbarung
  1. Einerseits wollen wir den Beschäftigten unserer Produzent*innen ermöglichen, ihre Interessen in organisierter Form, das heißt in Gewerkschaften und Arbeitnehmerinnenvertretungen, zu vertreten, sofern sie das anstreben. Wir schulen die Facilitatorinnen unseres WE Programms in den notwendigen Fachkenntnissen, um diesbezügliche Probleme in Fabriken zu erkennen und sie mit den Betroffenen zu lösen. Damit stärken wir das Feld „Vereinigungsfreiheit und Arbeitnehmer*innenvertretung“ in WE. Die WE Facilitator*innen sollen vor allem in der Lage sein, den sozialen Dialog am Arbeitsplatz voranzubringen, um die Lösung von Problemen in die Hand der Sozialpartner*innen zu geben. Arbeiter*innen, die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter*innen in der Fabrik sind, bekommen Vorrang bei der Teilnahme am WE Programm, Manager*innen werden in WE für diesbezügliche Themen sensibilisiert.

  2. Auf dem zweiten Weg hilft uns die Rahmenvereinbarung, auf gewerkschaftsbezogene Beschwerden aus den Fabriken angemessen zu reagieren, etwa wenn eine gewerkschaftliche Organisierung im Betrieb unterdrückt wird. In diesen Fällen ist sie Grundlage für unsere enge Zusammenarbeit mit den lokalen Gewerkschaften. Wir informieren uns gegenseitig über etwaige Beschwerdefälle und vermitteln zwischen den Parteien. Die Ursachen für solche Beschwerden können schnell zu größeren Konflikten führen, beispielsweise zu Streiks oder umfangreichen Entlassungen. Die unverzügliche, vertrauensvolle Zusammenarbeit in solchen Fällen ist deshalb von größtem Wert für uns, um Schaden für alle abzuwenden und einen guten Interessensausgleich zu erreichen.

Die Rahmenvereinbarung gilt für alle Länder, in denen wir produzieren lassen. Gemeinsam mit IndustriALL einigen wir uns auf die Gründung länderbasierter Arbeitsgruppen. In diesen kooperieren WE Facilitator*innen und Tchibo mit den jeweiligen nationalen Mitgliedsgewerkschaften von IndustriALL. Die Arbeitsgruppen entwerfen Umsetzungsstrategien und sind das Forum für die Lösung von Beschwerdefällen sowie Erfahrungsaustausch. Ländergruppen bestehen derzeit in Bangladesch und der Türkei.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

COVID-19 Pandemie
  • Da Gewerkschaften in Krisenzeiten noch stärker unter Druck stehen, arbeiten wir seit Beginn der COVID-19 Pandemie noch enger mit ihnen zusammen. In der Türkei, in Bangladesch und in Myanmar haben wir gezielt das Gespräch mit Gewerkschaftsvertreter*innen gesucht, um uns über die aus der Krise entstandenen Herausforderungen, Anforderungen an einkaufende Unternehmen sowie über die Tchibo Maßnahmen in diesen Krisenzeiten auszutauschen. Die Ergebnisse sind in unsere Audits, unsere Einkaufspraktiken und in Beschwerdelösungen eingeflossen.

Stärkung der Vereinigungsfreiheit im WE Programm
  • Wir haben 2021 begonnen, unsere Strategie zur Förderung von Gewerkschaftsrechten in unseren Non Food-Lieferketten zu überarbeiten. Im Fokus des Prozesses stand 2021, dem WE Programm eine noch strukturiertere Herangehensweise an dessen Handlungsfeld „Vereinigungsfreiheit und Arbeitnehmer*innenvertretung“ zu ermöglichen. Der Strategieprozess wird 2022 abgeschlossen. Er umfasst unter anderem auch unser Engagement in ACT on Living Wages für Sozialen Dialog in den Fokusländern sowie Einkaufspraktiken und Beschwerdemechanismen.

  • Im Zuge dieses Strategieprozesses haben wir die Facilitator*innen des WE Programms im Jahr 2021 intensiv rund um das Thema Gewerkschaftsrechte weitergebildet. Dafür haben wir mit Vertreter*innen von IndustriALL Global Union, der Awaj Foundation und der Ethical Trading Initiative (ETI) zusammengearbeitet.

  • In Bangladesch hat ein Strategietreffen zwischen Vertreter*innen von IndustriALL, fünf lokalen Mitgliedsgewerkschaften, Tchibo und dem WE Programm stattgefunden, um unsere Globale Rahmenvereinbarung und deren Umsetzung bei acht Tchibo Produzent*innen zu besprechen und diese, wo sinnvoll, mit dem WE Programm zu harmonisieren. Auch hier werden wir 2022 eruieren, ob wir dieses Format als Vorbild für andere Länder sinnvoll einsetzen können.

  • Unser WE Team in Bangladesch leitete erstmalig einen fachlichen Workshop für Vertreter*innen von IndustriALL und 16 Mitgliedsgewerkschaften zum Thema geschlechtsspezifische Diskriminierung.

Myanmar: Das Projekt für sozialen Dialog
  • In Myanmar hatten wir unser Projekt für sozialen Dialog, das wir gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umgesetzt haben, in seiner bisherigen Form im Dezember 2020 vorzeitig beendet. Wir planten, 2021 mit einem neuen Ansatz mit unseren Projektpartner*innen zu arbeiten. Der Militärputsch im Februar und die damit einhergehende massive Unterdrückung von Gewerkschaftsarbeit machte es uns jedoch zusammen mit den Einschränkungen durch die COVID-19 Pandemie auf unbestimmte Zeit unmöglich, die Arbeit fortzusetzen. Im Einvernehmen mit den Partner*innen beendeten wir daher die weitere Planung. Die im Projekt erarbeiteten Handreichungen werden im Jahr 2022 veröffentlicht.

Branchenweiter Wandel

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Seit 2006 implementieren wir bei Tchibo Umwelt- und Sozialstandards in unsere Kaffee- und Non Food-Lieferketten. In den nun fast 15 Jahren der Umsetzung haben wir erfahren, dass es Themen gibt, die wir – trotz eines hohen eigenen finanziellen Investments und der Unterstützung eines ganzen Teams und externer Berater*innen – einfach nicht alleine umsetzen können. Verbesserungen lassen sich sicher erreichen. Sie dürfen uns aber nicht zufriedenstellen. Für einige Themen braucht es gemeinsame Anstrengungen von Politik, Unternehmen, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel für die Durchsetzung von existenzsichernden Löhnen oder flächendeckendem Klimaschutz. Deshalb engagieren wir uns in verschiedenen Initiativen – sowohl auf Branchenebene als auch darüber hinaus.

Mit dieser Strategie und diesen Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

Wir achten darauf, dass wir nur menschenrechtlichen Initiativen beitreten oder uns für deren Gründung engagieren, in denen die Interessen von Beschäftigten vertreten werden. Für uns ist es wichtig, dass Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen mit am Tisch sitzen. Seit vielen Jahren arbeiten wir mit IndustriALL Global Union und deren Mitgliedern zusammen. Sie sind wichtige Partner*innen bei der Entwicklung von Programmen und in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Hervorzuheben ist hier die Zusammenarbeit zum Thema Gesundheits- und Arbeitsschutz im International Accord oder zu existenzsichernden Löhnen im Rahmen von ACT on Living Wages.

International Accord On Health And Safety In The Textile And Garment Industry / Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC)

2012 – bereits ein Jahr vor dem verheerenden Fabrikeinsturz von Rana Plaza – war Tchibo maßgeblich an der Verhandlung des Gebäudesicherheits- und Brandschutzabkommens Accord on Fire and Building Safety in Bangladesh beteiligt. Unsere Analyse von systemischen Arbeitsrechtsverletzungen in Bangladesch hatte uns gezeigt, dass echte Sicherheit für Beschäftigte nur durch einen gemeinschaftlichen Ansatz mit externer Überwachung und Transparenz umsetzbar ist. Unsere parallelen eigenen Überwachungsbemühungen durch spezialisierte Ingenieur*innen hätten langfristig keine Nachhaltigkeit gezeigt. Deswegen haben wir den Vorstoß der Gewerkschaften und der Clean Clothes Campaign für diese gemeinsame Initiative von Anfang an unterstützt und dafür geworben.

Bis 2021 hatten sich 190 Markenunternehmen, die in Bangladesch produzieren lassen, dem Accord angeschlossen. Das betrifft mehr als 1.600 Fabriken und über zwei Millionen Menschen im Land. Der Accord ist die weltweit erfolgreichste Initiative zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Ein Großteil der exportierenden Industrie in Bangladesch wurde dadurch umfassend modernisiert: Mehr als 90 % der Beanstandungen, die zu Beginn des Accord in allen teilnehmenden Fabriken aufgenommen wurden, konnten behoben oder deutlich minimiert werden. Vor dem Accord waren die Fabriken in einem schlechten Zustand. Die Arbeit konnte für Arbeiter*innen lebensgefährlich sein. Heute sind die Beschäftigten in den Fabriken besser geschützt. Seit Gründung des Accord hat es in den teilnehmenden Fabriken keine tödlichen Brände oder Einstürze mehr gegeben. Das gelang nur durch die Zusammenarbeit von Unternehmen, Produzent*innen, Gewerkschaften und den beteiligten Nichtregierungsorganisationen.

Seit Juni 2020 ist die Umsetzungsarbeit des Accord in Bangladesch im sogenannten Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC) aufgegangen, einer unabhängigen nationalen Organisation, in der Markenunternehmen, die Gewerkschaftsverbände IndustriALL Global Union und UNI Global Union sowie die bangladeschischen Textilindustrie-Verbände BGMEA und BKMEA (Bangladesh Garment/Knitwear Manufacturing and Export Association) als gleichberechtigte Partner*innen zusammenarbeiten. Alle Standards und Prozesse des Accord blieben dabei bestehen.

So funktioniert der Accord in Bangladesch/ Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC):

Im Kern des Accord stehen unabhängige Inspektionen von Fabriken zu den drei Kernbereichen Brandschutz, elektrische Sicherheit und Gebäudesicherheit. Mängel müssen die Eigentümer*innen der Fabriken verpflichtend innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums beheben. Wir erarbeiten mit ihnen zusammen Verbesserungspläne, sogenannte Corrective Action Plans, um sie darin zu unterstützen. Wichtig dabei: Gewerkschaften sind Teil des Accord, Sicherheitsbewertungen und die Überwachung der Verbesserungen werden gemeinsam mit ihnen vorgenommen. Gesundheits- und Sicherheitskomitees, in denen auch Beschäftigte vertreten sind, sind in jeder Accord-Fabrik vorgeschrieben. Sie werden vom Accord geschult, können sich an Sicherheitsbewertungen beteiligen und Sicherheitsprobleme in Gebäuden melden – und schulen wiederum die Belegschaften darin. In größeren Abständen werden alle Beschäftigten von Fabriken über Sicherheitsaspekte, aber auch über Arbeitsstandards wie Vereinigungsfreiheit, von Mitarbeiter*innen des Accord informiert. Über einen Beschwerdemechanismus können Beschäftigte Sicherheitsmängel auch direkt an den Accord melden, der die notwendigen Verbesserungsmaßnahmen nachverfolgt und – falls nötig – auch die Markenunternehmen in die Bearbeitung einbezieht.

ACT on Living Wages

Unser Ziel ist, dass Tchibo Produkte unter fairen Bedingungen produziert werden. Dazu zählt auch, dass die Menschen in unseren Lieferketten existenzsichernde Löhne erhalten. Diesen Anspruch konnten wir bei allen Anstrengungen bis heute nicht erfüllen. Zwar können wir mit Einzellösungen, zum Beispiel dem WE Programm, Lohnerhöhungen in einzelnen Fabriken ermöglichen. Aber um langfristige Verbesserungen zu erreichen, müssen wir etwas am System ändern.

In der globalen Bekleidungsbranche sind faire Löhne eine der größten Herausforderungen und gleichzeitig Schlüssel zu echter Fairness. Deswegen arbeiten wir seit 2016 zusammen mit anderen großen Markenunternehmen und IndustriALL in der Initiative ACT (Action, Collaboration, Transformation) an existenzsichernden Löhnen in der globalen Bekleidungsbranche. Unsere Vision sind regelmäßige, verbindliche zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber*innen der gesamten Textilindustrie eines Landes ausgehandelte Tarifverträge, kombiniert mit besseren Einkaufspraktiken und langfristigen Geschäftsbeziehungen der einkaufenden Unternehmen. So können Löhne Schritt für Schritt ansteigen, bis sie ein existenzsicherndes Niveau erreichen.

So funktioniert ACT on Living Wages:

Markenunternehmen und Händler*innen, IndustriALL und nationale Gewerkschaften, Produzent*innen und ihre Beschäftigten in Schwerpunktländern arbeiten zusammen. Das Ziel: branchenweite Lohnverhandlungen – also Flächentarifverträge – zwischen den Sozialpartner*innen vor Ort. Das bedeutet, dass Gewerkschaften in einem Land die Löhne für die gesamte Branche aushandeln können – unabhängig von der einzelnen Fabrik und von den Marken und Händler*innen, für die diese Fabriken produzieren. So steigt der Lohn für alle; der Unterbietungswettbewerb wird aufgehalten. Ein existenzsichernder Lohn wird nicht unmittelbar erreicht, sondern über einen längeren Zeitraum. So können alle Beteiligten ihre Geschäftstätigkeit daran anpassen und Fähigkeiten zum echten sozialen Dialog aufbauen.

Dafür müssen einige Grundlagen vorhanden sein, an denen wir in ACT arbeiten. Dabei haben wir als Branche einen langen Weg vor uns.

  • Nationalen und lokalen Gewerkschaften muss es möglich sein, Lohnverhandlungen für die gesamte Branche in ihrem Land zu führen und einen gewissen Anteil aller Arbeitnehmer*innen zu repräsentieren. Im Rahmen der ACT Partnerschaft unterstützt IndustriALL Global Union ihre Mitgliedsgewerkschaften darin.

  • Auch Arbeitgeber*innen müssen in der Lage sein, branchenweite Lohnverhandlungen zu führen. Dafür benötigen sie Arbeitgeber*innenorganisationen und die passenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Im Rahmen der ACT Partnerschaft unterstützen die ACT Mitgliedsunternehmen ihre Lieferant*innen dabei.

  • Gleichzeitig bedarf es eines rechtlichen und institutionellen Rahmens: Deswegen sind wir als ACT im Dialog mit nationalen Regierungen und Organisationen.

  • Als Unternehmen arbeiten wir daran, unsere Einkaufspraktiken anzupassen, um Hersteller*innen langfristige Planungs- und finanzielle Sicherheit zu ermöglichen. Das ermöglicht die Zahlung von höheren Löhnen. Dazu gehören auch faire Zahlungsbedingungen und das verantwortungsvolle, planbare Beenden von Geschäftsbeziehungen, wenn nötig. Ein Kern unserer ACT Verpflichtungen: Mit unseren Produzent*innen arbeiten wir daran, dass Lohn- und Arbeitskosten festgeschriebener Teil von Preiskalkulationen sind und damit aus den Preisverhandlungen ausgeschlossen werden. Unsere Selbstverpflichtungen: ACT Purchasing Practices Commitments

  • Sobald ein branchenweiter Tarifvertrag in einem Land verhandelt wurde, verpflichten wir uns als Gemeinschaft von ACT Unternehmen, unser Einkaufsvolumen in diesem Land über mehrere Jahre mindestens auf gleichbleibendem Niveau zu halten. Das unterstützt die langfristige Veränderung und gibt den Sozialpartner*innen Zeit und Kraft für regelmäßige Lohnverhandlungen. Unsere Selbstverpflichtungen: ACT Country Commitments

Die ACT Schwerpunktländer
  • Bangladesch

  • Kambodscha

  • Myanmar (bis 2021)

  • Türkei

Bündnis für nachhaltige Textilien

Seit 2015 ist Tchibo Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Hier arbeiten Unternehmen, Verbände, Politik, Nichtregierungs- und Standardorganisationen, Gewerkschaften und Wissenschaft zusammen, um soziale und ökologische Standards in den Lieferketten zu verbessern. Das Textilbündnis hält für uns die Chance bereit, als deutsche Textilbranche gemeinsame Standards aufzubauen und sie gemeinschaftlich umzusetzen.

So funktioniert das Textilbündnis:

Das Textilbündnis ist eine sogenannte Multi-Akteurs-Partnerschaft. Möglichst alle deutschen Stakeholder*innen der Textil- und Bekleidungsbranche sollten Mitglied sein. Das umfasst große Händler wie Tchibo, traditionelle deutsche Textil- und Schuhhersteller bis hin zu kleineren Fair Fashion-Marken, aber auch die Gewerkschaften, NGOs, wie die Kampagne für Saubere Kleidung oder Transparency International, sowie die politischen Akteure, die die Rahmenbedingungen unseres Handelns schaffen.

Das Textilbündnis arbeitet auf drei Wegen:
  • Individuelle Verantwortung: Der Rahmen sind die OECD-Empfehlungen zu unternehmerischer Sorgfaltspflicht im Bekleidungs- und Schuhsektor. Jedes Mitglied legt jährlich einen Fahrplan für das kommende Jahr vor, in dem Verbesserungsziele zu bestimmten Schwerpunkten, beispielsweise effektivere Beschwerdemechanismen, festgelegt werden. Über dessen Einhaltung und Fortschritt muss jährlich berichtet werden. Alle Fahrpläne und Fortschrittsberichte dieses sogenannten Review-Prozesses sind öffentlich verfügbar.
  • Gemeinsames Engagement: Um systemische Probleme unserer Branche zu lösen, arbeiten individuelle Mitglieder – Unternehmen und Zivilgesellschaft – in Bündnisinitiativen zu spezifischen Problemfeldern zusammen. Diese Initiativen haben die Form von konkreten Projekten in Produktionsländern.
  • Gegenseitige Unterstützung: Für uns ganz besonders wertvoll – das Bündnis als Lernforum. Wir tauschen uns nicht nur kontinuierlich über Probleme aus, sondern entwickeln gemeinsam passende Lösungen, lernen gute Praktiken und Beispiele von anderen Unternehmen und Organisationen und unterstützen uns gegenseitig, wenn wir allein nicht weiterkommen.

Das Bündnis kooperiert mit internationalen Initiativen, die sich für eine nachhaltige und zukunftsfähige Textilindustrie einsetzen, zum Beispiel der Fair Wear Foundation, ACT on Living Wages oder der Sustainable Apparel Coalition. Das verstärkt die positiven Lern- und Umsetzungseffekte für die Mitglieder und macht das Bündnis noch wertvoller für uns.

Tchibo ist Mitglied folgender Bündnisinitiativen im Textilbündnis:

  • Bündnisinitiative Tamil Nadu

  • Expert*innen-Gruppe Klimaschutz

  • Expert*innen-Gruppe Naturfasern

Bündnisinitiative Tamil Nadu

In der Bündnisinitiative Tamil Nadu arbeiten wir gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Nichtregierungsorganisation FEMNET e.V. sowie den Unternehmen Hugo Boss, KiK und Otto Group daran, die Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie in dem gleichnamigen indischen Bundesstaat systemisch zu verbessern, insbesondere für Frauen und Mädchen in Spinnereien. Die Nichtregierungsorganisation SAVE setzt das Programm vor Ort um und stößt Veränderungen auf mehreren Ebenen an: Ein Dialog soll die wesentlichen Beteiligten der lokalen Textilindustrie inklusive der Regierung für die Rechte der Arbeiter*innen sensibilisieren. Daneben begleitet ein Schulungsprogramm die geplante Einrichtung der gesetzlich vorgeschriebenen Beschwerde- und Schlichtungsgremien in Spinnereien und Fabriken. Arbeiter*innen und Management werden über ihre Arbeitsrechte und Beschwerdemechanismen informiert. Nach Ende der ersten Projektphase im September 2020 führen wir das Projekt seit November 2021 in einer zweiten Phase fort.

Hier geht es zur Webseite der Bündnisinitiative Tamil Nadu.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Tiefgreifender Wandel gelingt dann am besten, wenn alle Beteiligten einbezogen werden und alle mitarbeiten. Das ist unser Weg zum Erfolg. Wir versuchen deshalb, für mehr und mehr der Herausforderungen in den globalen Lieferketten sektorweite, gemeinschaftliche Ansätze zu finden. Die Entwicklung und Umsetzung neuer und systemischer Lösungen braucht jedoch viel Zeit. Das ist ein Marathon, kein Sprint. Die Fortschritte in dieser Art von Engagement mögen kleinteilig erscheinen und sich nicht auf den ersten Blick erschließen, aber sie sind sehr wertvoll für den systemischen Wandel, den wir anstreben.

COVID-19: Action in the Global Garment Industry (Call to Action)

In der Bekämpfung einer globalen Krise müssen wir globale Antworten finden. Zusammen mit über 130 Unternehmen, Verbänden, Gewerkschaften und anderen Organisationen in der Bekleidungsindustrie sind wir darum im April 2020 dem „Call to Action“ der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, des Internationalen Arbeitgeberverbands IOE und des Internationalen Gewerkschaftsverbands ITUC beigetreten. Gemeinsam wollen wir Arbeiter*innen mittelfristig Einkommen durch Zugang zu internationalen Hilfsgeldern und niedrigschwelligen Kreditlinien für Unternehmen sichern und langfristig soziale Sicherungssysteme in den Herstellerländern etablieren, unter anderem in Bangladesch, Pakistan, Indien sowie Kambodscha, Indonesien und Myanmar. Für Hintergründe und Fortschritte siehe Webseite des Call to Action.

International Accord & Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC) in Bangladesch

In den achtJahren seit Beginn des Bangladesh Accord konnten wir bereits große Erfolge erzielen:

COVID-19 Pandemie
  • Der Bangladesh Accord hat zügig nach Beginn der Pandemie im Land einheitliche COVID-19 Sicherheitsmaßnahmen für Herstellungsbetriebe umgesetzt und kontrolliert. Dazu gehören sichere Transportmöglichkeiten für Arbeiter*innen zum Arbeitsplatz, angepasste (gestreckte) Produktionsprozesse, Social Distancing, die Bereitstellung von Masken und Schutzutensilien für alle Fabrikbeschäftigten, Hygienemaßnahmen wie dauerhafte Desinfizierung und Belüftung sowie bezahlte Freistellung für Risikogruppen und Personen in Quarantäne. Bangladesch ist eines unserer wichtigsten Produktionsländer für Textilien. 100 % unserer dortigen Zulieferbetriebe sind Teil des Accord und unterstehen somit diesen Sicherheitsmaßnahmen.

Behebung von Sicherheitsmängeln
  • 94 % der sicherheitstechnischen Mängel unserer Produzent*innen wurden behoben. Das ist überdurchschnittlich im Vergleich zur Gesamtleistung aller ca. 1.500 Accord-Fabriken. Das gilt besonders für die Bereiche Gebäudestruktur und Elektrik. Der Wert liegt gegenüber dem Vorjahr (2020: 98 %) niedriger, weil wir eine Reihe von Fabriken neu in unser Portfolio aufgenommen haben, die ihre Sicherheitsmängel noch beheben müssen.

Sicherheitskomitees
  • Alle Tchibo Hersteller*innen in Bangladesch wurden in Accord-Programme integriert, die Sicherheitskomitees in den Fabriken aufbauen und diese trainieren. Bisher haben 74 % unserer 46 Fabriken das Programm erfolgreich durchlaufen.

International Accord
  • Nach einer Verlängerung des Bangladesh Accord im Jahr 2018 ging dieser im September 2021 im neu gegründeten International Accord for Health and Safety in the Textile and Garment Industry auf. Die unterzeichnenden Unternehmen verpflichten sich, die bisherige Arbeit des Accord in Bangladesch fortzuführen. Diese wird weiterhin vom unabhängigen Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC) umgesetzt. Darüber hinaus hat der International Accord das Ziel, das Programm mit seinen Kernkomponenten in weiteren Ländern anzuwenden. Außerdem gibt es die Option, das Abkommen auf die Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte auszuweiten.

  • Tchibo hatte sich klar für eine Verlängerung und Ausweitung gemeinsam mit den globalen Gewerkschaften ausgesprochen und gehörte zu den ersten Unternehmen, die die neue Vereinbarung unterzeichneten. Auch der neue Accord ist für die Unterzeichnenden rechtlich verpflichtend und führt die gleichberechtigte Partnerschaft mit den globalen Gewerkschaftsverbänden UNI Global Union und IndustriALL Global Union fort, worauf wir während der Verhandlungen besonderen Wert legten. Mehr als 160 Unternehmen haben sich dem neuen, internationalen Accord angeschlossen.  

ACT on Living Wages

Tchibo hat seine Arbeit im Jahr 2021 auf folgende Arbeitsgruppen in ACT fokussiert:

  • Strategische Fragen

  • Ländergruppen: Bangladesch, Myanmar, Türkei

Die COVID-19 Pandemie zeigt erneut deutlich, wie abhängig Markenunternehmen und Lieferant*innen im Kontext des globalen Handels voneinander sind und wie hart Veränderungen in diesen Handelsbeziehungen die Arbeiter*innen in Entwicklungs- und Schwellenländern treffen. Der ACT Ansatz ist damit gerade auch jetzt relevant: Denn funktionierender sozialer Dialog und faire Einkaufspraktiken sind die Grundlage für bessere Absicherung der Beschäftigten und eine schrittweise Erhöhung von Löhnen.

Sozialer Dialog in den Produktionsländern

Aufbauend auf der Arbeit der letzten Jahre wurden die bestehenden Dialogforen zwischen nationalen Gewerkschaften, nationalen Arbeitgeberverbänden und/oder im Land aktiven Produzent*innen sowie ACT Mitgliedsunternehmen in den Schwerpunktländern zu wichtigen Plattformen, um Informationen zu teilen und auf die Herausforderungen der Krise zu reagieren:

  • Bangladesch: Die Ende 2019 gegründete ACT Arbeitsgruppe Bangladesch, der ACT Mitgliedsunternehmen, IndustriALL, der nationale Gewerkschaftsverband und der nationale Arbeitgeberverband der Bekleidungsindustrie angehören, setzte ihre Arbeit auch in 2021 fort. Um weitere Schritte hin zu Tarifverhandlungen zwischen nationalen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften abzuwägen, gab ACT 2021 eine technische Bewertung in Auftrag. Hinsichtlich der Ergebnisse und weiteren Schritten sind die ACT Mitglieder dabei, die Gespräche mit den nationalen Akteur*innen zu intensivieren. Über den 2020 etablierten Übergangs-Streitschlichtungsmechanismus für Beschwerden zur Vereinigungsfreiheit und zu Löhnen wurden in Folge der COVID-19 Pandemie 2021 vor allem Beschwerden zu Entlassungszahlungen bearbeitet. Die Erfahrungen in dem Übergangsmechanismus sollen nun ausgewertet werden, um einen dauerhaften Mechanismus zu etablieren.  

  • Myanmar: Der Militärputsch in Myanmar im Februar 2021 hatte erhebliche Auswirkungen auf unser lokales Engagement mit ACT on Living Wages. Bis zum Juni 2021 haben wir deswegen mit den relevanten Mitgliedern von ACT ein Rahmenwerk für Unternehmen zum verantwortungsvollen Auftragsstopp, eine Anleitung zum fairen Umgang mit Produzent*innen bei Lieferschwierigkeiten und ein Rahmenwerk über die Sicherheit und Entlassung von Arbeiter*innen in Myanmar erarbeitet und implementiert sowie den existierenden Beschwerde- und Streitbeilegungsmechanismus der Myanmar Freedom of Association Guideline zu einem Schnellverfahren weiterentwickelt, der für alle Arbeitsrechte gilt. Für mehr Informationen siehe Mitteilung im Tchibo Blog vom 12.07.2021 und ACT Webseite.

    • Myanmar war seit 2018 ein Schwerpunktland von ACT. Im Dezember 2021 entschieden die ACT Mitglieder, die Arbeit von ACT in Myanmar einzustellen. Dies ist eine Folge des Rückzugs der lokalen IndustriALL-Mitgliedsgewerkschaft IWFM aus den ACT Aktivitäten, da sie unter den herrschenden Umständen nicht mehr frei arbeiten kann. ACT wird sein künftiges Engagement prüfen, sobald sich die Lage im Land ändert.

  • Kambodscha: Im Jahr 2019 sind die Verhandlungen über die Umsetzung der ACT Standards ins Stocken geraten, weil die Regierung und der nationale Industrieverband Wettbewerbsnachteile und die Abschaffung der EU-Zollpräferenzen fürchtete. Vor dem Hintergrund der COVID-19 Krise fanden die Gesprächspartner*innen wieder zusammen. Darauf aufbauend hat die nationale Arbeitsgruppe, der ACT Unternehmen, IndustriALL, nationale Arbeitgebervertreter*innen sowie nationale Gewerkschaften angehören, die Arbeit wieder aufgenommen und die Gespräche intensiviert, die zu Tarifverhandlungen zwischen den nationalen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften führen sollen.

  • Türkei: Die ACT Arbeit in der Türkei ist weiterhin erschwert, da es weder einen landesweiten Arbeitgeber- noch einen Industrieverband gibt, der einen industrieweiten Tarifvertrag aushandeln könnte. Die ACT Unternehmen traten deshalb verstärkt direkt mit ihren Lieferant*innen ins Gespräch und führen den Austausch mit den nationalen Gewerkschaften fort. Dies sowie die gemeinsame Arbeit an einem neuen Standard für Gewerkschaftsrechte wird 2022 fortgesetzt.

Faire Einkaufspraktiken
  • Die COVID-19 Krise hat auch die ACT Markenunternehmen vor nicht gekannte Herausforderungen gestellt. In Zeiten, in denen Planungssicherheit für alle Beteiligten fehlte, halten die ACT Mitglieder an ihren Selbstverpflichtungen zur Einführung fairer Einkaufspraktiken fest.

  • Im Jahr 2021 haben die ACT Mitgliedsunternehmen die Umfrage zu ihren Einkaufspraktiken in ihren eigenen Unternehmen nachgeholt und erstmals bei ihren Lieferant*innen, die dabei anonym blieben, durchgeführt. Mit 1.832 Antworten aus ACT Mitgliedsunternehmen und 1.338 Antworten von Lieferant*innen ist es die größte Erhebung zum Thema Einkaufspraxis und deckt alle wichtigen Länder der Bekleidungsindustrie ab. Für Tchibo haben 51 Kolleg*innen aus der Einkaufsabteilung und 42 Lieferant*innen teilgenommen. Die Gesamtergebnisse bestätigen, dass die fünf Themen der ACT Selbstverpflichtungen (darunter Preissetzung und -verhandlung, Zahlungsbedingungen, Auftragsplanung und Training) besonders wichtig sind, sowohl, um die Zahlung von höheren Löhnen zu ermöglichen, als auch in der Umsetzung bei den ACT Mitgliedsunternehmen. Um den Fortschritt zu messen, werden die Umfragen im Jahr 2023 wiederholt; bis dahin treiben die Mitgliedsunternehmen – so auch Tchibo – die Umsetzung in den eigenen Unternehmen voran und planen Trainingsmaßnahmen sowohl innerhalb der Unternehmen als auch mit Lieferant*innen.

  • Bei Tchibo haben wir die Umsetzung der ACT Selbstverpflichtungen im strategischen Einkauf verankert und arbeiten mit Nachdruck an der Umsetzung, in die auch die Ergebnisse der oben genannten Umfragen einfließen. Wir setzen dabei den Fokus darauf, die Lohnkosten in unsere Einkaufsverträge zu integrieren; dafür werden wir die sogenannte Methode des Lohnkostenanteils nutzen. Im Jahr 2021 haben wir dafür eine einfache, unseren Prozessen angepasste Abfrage getestet und werden sie 2022 ausrollen.

Bündnis für nachhaltige Textilien
COVID-19 Pandemie

Über das Bündnis für nachhaltige Textilien vermittelt, nahmen im Jahr 2021 fünf Tchibo Zulieferfabriken in Indien an einem kostenlosen Trainingsangebot zu Hygienevorschriften der GIZ in Kooperation mit dem Internationalen Verband der Naturtextilien (IvN) teil; die Fabriken fanden das Training hilfreich und nutzen die Erkenntnisse für die eigene Umsetzung.

Roadmap und Fortschrittsbericht

Gemäß der Textilbündnis-Vorgaben hat Tchibo im Jahr 2021 einen Fortschrittsbericht veröffentlicht.

Bündnisinitiative Tamil Nadu

Nach dem Abschluss der ersten Projektphase im September 2020 führen wir das Projekt seit November 2021 gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Nichtregierungsorganisation FEMNET e.V. sowie den Unternehmen Hugo Boss, KiK und Otto Group fort. Dabei schließen wir an den Erfolg der ersten Phase an und bauen auf wichtigen Lernerfahrungen auf. So ist es geplant, mit 40 Spinnereien deutlich weniger Produktionsstätten als in der ersten Phase zu integrieren, um die Fabriken enger bei der Umsetzung zu begleiten, das Fabrikmanagement einzubeziehen und den Austausch zwischen den Fabriken zu ermöglichen. Das Trainingsprogramm auf Fabrikebene soll dabei auch enger mit dem Multistakeholder*innen-Dialog verknüpft werden, in dem die Beteiligten neben der Umsetzung von Maßnahmen in den Distrikten und im Bundesstaat auch die Umsetzung auf Fabrikebene überwachen. Darüber hinaus sollen die beteiligten Unternehmen zu den Themen Nachverfolgbarkeit in den Lieferketten und Einkaufspraktiken zusammenarbeiten. In dieser Projektphase sind auch Trainings bei einer Spinnerei geplant, die Tchibo über einen Bekleidungsproduzenten in der Delhi-Region beliefert. Mehr Details: Webseite der Bündnisinitiative Tamil Nadu.

Effektive Beschwerdemechanismen

Welcher Herausforderung stellen wir uns?

Beschwerdemechanismen sind ein zentraler Pfeiler, um Menschenrechte und Umweltschutz in Lieferketten dauerhaft zu verankern. Sie helfen uns dabei, Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards zu identifizieren und im nächsten Schritt gemeinsam mit Betroffenen und Verursacher*innen Abhilfe zu schaffen.

Damit Beschwerdemechanismen funktionieren, müssen Betroffene wissen, dass es sie gibt, wie sie diese nutzen können und auf welche Weise sie eine Beschwerde formulieren. Und sie müssen sich sicher sein, dass ihr Anliegen vertraulich bleibt, wenn sie es wünschen. Beschwerdemechanismen allein tragen aber nicht unbedingt zu langfristigen Verbesserungen bei, weil sie nur nachträglich und punktuell eingreifen. Um jene Strukturen zu ändern, die Arbeitsrechtsverletzungen und Umweltschäden begünstigen, lassen wir die Erkenntnisse aus den Beschwerden in unsere längerfristigen Maßnahmen einfließen.

Mit dieser Strategie und diesen Maßnahmen meistern wir die Herausforderung

Tchibo hat ein System aus mehreren Beschwerdekanälen etabliert, das möglichst vielen Menschen erlauben soll, Missstände zu melden. Beschwerden werden von designierten Tchibo Mitarbeiter*innen aufgenommen und untersucht, möglichst mit WE Facilitator*innen vor Ort. Oft ziehen wir zur Untersuchung externe und unabhängige Expert*innenorganisationen mit hinzu. Auf dieser Basis wird ein Maßnahmenplan zusammen mit den relevanten Tchibo Fachabteilungen, zum Beispiel dem Einkauf, erstellt. Wir setzen alles daran, jede Beschwerde gemeinsam mit den Betroffenen und den Verursacher*innen zu lösen. Die Ergebnisse fließen wiederum in unsere Lieferkettenprogramme, Trainingsmaßnahmen und Geschäftsprozesse ein. Damit wollen wir weitere Verstöße verhindern.

Direktbeschwerden

Jede und jeder Betroffene in unseren Lieferketten, deren Vertreter*innen und Dritte können sich vertrauensvoll und anonym über jegliche Kanäle direkt an Tchibo wenden. In der Vergangenheit haben wir beispielsweise Beschwerden angenommen, die Tchibo Mitarbeiter*innen telefonisch, per E-Mail oder WhatsApp mitgeteilt wurden. Die Beschwerdeadresse socialcompliance@tchibo.de ist Teil unseres verpflichtenden Verhaltenskodex (SCoC) und muss somit in allen Produktionsstätten sichtbar sein. Sie wird systematisch auf unseren Webseiten kommuniziert. Produzent*innen sind über den SCoC verpflichtet, Beschwerdeverfahren einzurichten, und dies wird in Audits überprüft.

WE Programm

Damit Beschäftigte die vorhandenen Kanäle nutzen, müssen sie davon wissen, ihre Rechte kennen und Vertrauen in die Kanäle haben. Bei den Produzent*innen für Tchibo Non Food-Artikel sind die Facilitator*innen unseres WE Programms oft die erste Anlaufstelle für die Beschäftigten, um auf Missstände in den Fabriken hinzuweisen. Zu ihnen besteht ein gewachsenes Vertrauensverhältnis. Viele Probleme können unmittelbar gemeinsam erkannt und bei Bedarf mit dem Fabrikmanagement gelöst werden.

Gewerkschaften

Arbeitnehmer*innenvertretungen geben Sicherheit beim Einbringen von Beschwerden gegenüber Vorgesetzten. Im Zuge unserer Rahmenvereinbarung mit IndustriALL Global Union informieren uns nationale und lokale Gewerkschaften über Arbeitsrechtsverletzungen, oft mit einem Fokus auf Gewerkschaftsrechte. Sie spielen eine zentrale Rolle beim Erarbeiten und Umsetzen von Lösungen.

International Accord / Ready-Made Garments Sustainability Council (RSC) in Bangladesch

Die Maßnahmen des Accord in Bangladesch, der über den nationalen RMG Sustainability Council umgesetzt und dessen Pflichten für Mitgliedsunternehmen über den International Accord geregelt sind, umfassen neben Gebäudeschutz und Feuersicherheit ein fabrikübergreifendes Beschwerdesystem, das von Beschäftigten auch für arbeitsrechtliche Beschwerden genutzt wird. Es existieren außerdem Gesundheits- und Sicherheitskomitees in allen Fabriken, die sicherheitsrelevante Beschwerden aufnehmen. 

ACT on Living Wages

Die Mitgliederinitiative hat seit 2020 fabrikübergreifende Beschwerde- und Streitschlichtungsmechanismen in der Textilindustrie in Myanmar (im Dezember 2021 in Folge des dortigen Militärputsches eingestellt – siehe Fortschritte, Erreichtes und Ziele) und Bangladesch regulär etabliert, die Verstöße gegen Arbeitsrechte, insbesondere Gewerkschaftsrechte und Lohnzahlung, abdecken. ACT wird wesentlich von IndustriALL Global Union mitgetragen, deswegen orientieren sich die Mechanismen an der Beschwerdeführung durch lokale Gewerkschaften. 

Whistleblowing

Über das Hinweisgeber*innen-System der Tchibo Dachgesellschaft maxingvest ag können sich sämtliche Mitarbeiter*innen oder in einer Geschäftsbeziehung zu Tchibo stehende Personen mit ihren Bedenken, Hinweisen und Zweifeln in Hinblick auf eigenes oder fremdes Fehlverhalten jederzeit an einen unabhängigen Dienstleister wenden. Ein Ombudsrat aus Vertreter*innen der maxingvest ag, der Tchibo GmbH sowie der/dem Betriebsratsvorsitzenden erarbeitet daraufhin Maßnahmen.

Beschwerdefälle – ein Beispiel

Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Herstellers für textile Vorprodukte in Indien, mit dem Tchibo indirekt zusammenarbeitet, beschwert sich bei einem Auditor, dass er entlassen wurde, weil er sich weigerte, exzessive Überstunden zu leisten. Eine verdeckte Überprüfung ergab, dass überlange Arbeitszeiten in der Fabrik an der Tagesordnung waren, die Mitarbeiter*innen diese nicht verweigern konnten und deswegen in einigen Fällen entlassen wurden. Außerdem reichte der Arbeitgeber falsche Arbeitszeitaufzeichnungen ein – die sogenannte doppelte Buchführung. Beides ist nach unserem Verhaltenskodex nicht zulässig. Diese Sachverhalte sind sehr ernst und müssen schnell gelöst werden. Weil der Hersteller keinen guten Verbesserungsplan erarbeitete, entschieden wir uns für einen innovativen gemeinschaftlichen Lösungsweg. Zunächst führte unser indisches WE Team eine Reihe von Besuchen innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums durch. Im Zuge dessen thematisierte das Team mit einer Gruppe von Manager*innen und Arbeiter*innen die Probleme und löste sie schließlich gemeinsam. Die Gruppe erarbeitete mit unseren WE Expert*innen eine Umstrukturierung des Arbeitszeitsystems in der Fabrik, bei der die Belegschaft einbezogen wurde. Als Ergebnis stellte der Betrieb auf Acht-Stunden-Schichten mit freiwilligen und doppelt entlohnten Überstunden um, passte seine Zeiterfassung an und führte neue, transparente Lohnabrechnungen für die Arbeiter*innen ein. Um die Neuerungen tiefer zu verankern, wurde ein Kollektivvertrag geschlossen. Außerdem wurden Betriebsversammlungen, Informationsveranstaltungen in Kleingruppen und öffentliche Aushänge organisiert. In einem abschließenden Besuch des WE Teams nach einiger Zeit bestätigten die Teilnehmer*innen den Erfolg der Maßnahmen. Leider sind die zuvor entlassenen Mitarbeiter*innen jedoch nicht zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber zurückgekehrt. Im Jahr 2020 wird der Hersteller langfristig in unser WE Programm integriert.

Fortschritte, Erreichtes und Ziele

Beschwerdemechanismen haben immer Potenzial für Verbesserungen. Das gilt vor allem für den Zugang zu Beschwerdekanälen und das Vertrauen, sie zu nutzen. Deswegen arbeiten wir dauerhaft daran, diese Punkte zu stärken. Darauf Rücksicht nehmend, entwickeln wir unsere Programme stetig weiter.

WE Programm

In Indien sind interne Beschwerdekomitees in Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben, sie sind aber oft dysfunktional. 2020 haben wir mit dem WE Programm 13 Fabriken beim Aufbau neuer oder bei der Verbesserung bestehender Komitees unterstützt. Deren Qualifizierung haben wir 2021 fortgeführt, außerdem wurden in zwei weiteren Fabriken neue Komitees etabliert. Für 2022 sind vier weitere Fabriken vorgesehen. Auch in Pakistan und Bangladesch haben wir mit WE interne Beschwerdemechanismen in einigen Fabriken gestärkt.

ACT on Living Wages: Myanmar

Der Militärputsch in Myanmar im Februar 2021 hatte erhebliche Auswirkungen auf unser lokales Engagement mit ACT on Living Wages, unter anderem in Bezug auf die ab 2019 implementierte Myanmar Freedom of Association Guideline und dem ihr ab 2020 angeschlossenen Beschwerde- und Streitschlichtungsmechanismus. Um den geänderten Anforderungen gerecht zu werden, haben wir als ACT diesen Mechanismus mit der lokalen Gewerkschaft IWFM in ein Schnellverfahren (ACT Webseite) weiterentwickelt, das für alle Arbeitsrechte gilt. Dieses war von März bis Oktober 2021 in Kraft. Seine Schließung wurde nötig, weil IWFM sich als Partnerin des Mechanismus angesichts zunehmender Verfolgung von Gewerkschafter*innen aus dem Verfahren zurückzog. Das ACT Programm im Land wurde im Dezember 2021 eingestellt (siehe Kapitel: Militärputsch in Myanmar).

Beschwerdefälle in Tchibo Lieferketten für Non Food-Artikel 2021

2021 haben wir ein deutliches Wachstum der eingegangenen Beschwerden verzeichnet: 32 gegenüber 16 in 2020. Wir begreifen das einerseits als Indikator für einen gestiegenen Druck auf soziale Rechte während der weltweiten Coronakrise, andererseits als Ergebnis fortwährender Verbesserung des Zugangs von Arbeiter*innen zu unseren Beschwerdemechanismen.

Monat

Land

Sektor

Lieferkette

Inhalt

Beschwerdekanal

Status (31.12.2021)

Januar

Türkei

Textil

Fertigung

Diskriminierung & Belästigung, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

Februar

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

Februar

Türkei

Textil

Materialien

Arbeitsverhältnis, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

März

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

WE Programm

Gelöst

März

Indien

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

WE Programm

Gelöst

April

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

April

Myanmar

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

NGO

Gelöst

April

Bangladesch

Textil

Fertigung

Diskriminierung & Belästigung, Entlohnung, Arbeitszeit, Arbeitsverhältnis, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

Juni

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

Juni

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

Oktober

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

Accord

Ungelöst

Juni

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

Juni

Türkei

Textil

Materialien

Diskriminierung & Belästigung, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

Juli

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Gewerkschaft

Gelöst

Juli

Myanmar

Textil

Fertigung

Diskriminierung & Belästigung

ACT

Gelöst

September

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Gewerkschaft

Offen

September

Bangladesch

Textil

Fertigung

Diskriminierung & Belästigung, Arbeitsverhältnis, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

September

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

Gewerkschaft

Gelöst

September

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung

Accord

Gelöst

September

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung

Accord

Gelöst

September

Myanmar

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

Gewerkschaft

Ungelöst

Oktober

Bangladesch

Textil

Fertigung

Diskriminierung & Belästigung

Accord

Gelöst

Oktober

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

ACT

Gelöst

Oktober

Indien

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

WE Programm

Gelöst

Oktober

Myanmar

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Andere

Gelöst

November

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis, Gewerkschaftsrechte

Gewerkschaft

Gelöst

November

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

November

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

ACT

Gelöst

November

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

ACT

Offen

Dezember

Bangladesch

Textil

Fertigung

Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

Dezember

Bangladesch

Textil

Fertigung

Entlohnung, Arbeitsverhältnis

Accord

Gelöst

offen: in Bearbeitung / ungelöst: Behebung oder Wiedergutmachung nicht möglich